Zwischen Mühlsteinen
Von Jörg KronauerSo trocken die Zahlen auch sind: Der jüngsten Außenhandelsstatistik der chinesischen Zollbehörde lässt sich viel entnehmen: über den aktuellen Zustand der Weltwirtschaft, über den erbitterten Wirtschaftskrieg, den der Westen derzeit gegen die Volksrepublik führt, und über die drohende Zuspitzung der globalen Zoll- und Sanktionsschlachten.
Da wäre zunächst die Tatsache, dass Chinas Exporte Rekordhöhe erreicht haben, während seine Importe kaum gestiegen sind. Ob Solarzellen, Mobiltelefone, Laptops oder Elektroautos – die Volksrepublik ist in der Lage, all dies und noch mehr auf einem technologischen Niveau und zu Preisen herzustellen, die ihr trotz aller Hasskampagnen im Westen einen boomenden Absatz sichern. Die Tatsache, dass ihre Ausfuhren gegen Jahresende rasant zunahmen, zeigt wiederum: Alle Welt ahnt eine neue Ausweitung von US-Zöllen und US-Sanktionen nach dem Amtsantritt des künftigen US-Präsidenten voraus und deckt sich noch in letzter Minute wie wild mit chinesischen Produkten, Bauteilen und Rohstoffen ein, um am 20. Januar wenigstens gewisse Reserven und ein wenig Zeit für die Suche nach alternativen Lieferanten zu haben. Chinas Gesamtexport, im Jahresschnitt um 5,9 Prozent auf 3,58 Billionen US-Dollar gestiegen, schnellte im Dezember um 10,7 Prozent in die Höhe.
Was Deutschland betrifft: Womit muss man rechnen, wenn China Produkte, die es einst aus der Bundesrepublik importierte – (Elektro-)Autos etwa, Maschinen –, mittlerweile günstiger und oft sogar besser herstellt als die deutsche Konkurrenz? Na klar: Der deutsche Export in die Volksrepublik schrumpft. Und wenn Beijing dann auch noch befürchten muss, dass in Kürze die Einkäufe chinesischer Unternehmen im Westen durch Zölle und Sanktionen noch weiter eingeschränkt werden? Nun, dann wird die chinesische Regierung alles unternehmen, damit chinesische Firmen ihre Bauteile zoll- und sanktionssicher im Inland kaufen und nicht mehr in Nordamerika oder in Europa. Und in der Tat, der deutsche China-Export, der einst satte Profite in deutsche Konzernkassen spülte – er brach um mehr als ein Zehntel ein. Dass auch die Produktionsstandorte deutscher Unternehmen in China sich nicht mehr auf ihren gewohnten Import aus der Bundesrepublik verlassen können, sondern sich Zulieferer in der Volksrepublik suchen müssen, macht die Sache nicht besser.
Nach Lage der Dinge gräbt die Bundesregierung, insoweit sie sich an den harten Zoll- und Sanktionsschlachten gegen China beteiligt, der deutschen Exportindustrie das Grab. Klar gibt es Auswege: Man könnte künftig noch mehr in die EU und vor allem in die USA exportieren. Dumm nur, dass die EU kriselt und Donald Trump mit Zöllen auch auf Einfuhren aus Europa droht – und dass eine Zollschlacht gegen die USA nach Berechnung einschlägiger Institute ein klares Eigentor wäre. Die Frage drängt sich auf, ob die deutsche Wirtschaft in einer Zwickmühle steckt oder doch schon zwischen die Mühlsteine geraten ist.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (14. Januar 2025 um 09:12 Uhr)Der Artikel wirft Fragen auf: Sollen wir, wenn die deutsche Wirtschaft »zwischen die Mühlsteine« gerät, den Mahlprozess aufhalten oder vielmehr befördern? Die gleiche Frage stellt sich, wenn die Bundesregierung angeblich der »deutschen Exportindustrie das Grab gräbt«. Schließlich ist die deutsche Exportindustrie mitverantwortlich für das Elend auf der Welt: »Der Kapitalexport hängt eng mit dem Anwachsen des Warenexports zusammen. Die ausländischen Monopole reißen die Absatzmärkte und Rohstoffquellen in den Schuldnerländern an sich. Somit ist der Kapitalexport eine der Grundlagen des imperialistischen Unterdrückungssystems« (Lehrbuch der Politischen Ökonomie, 1955, S. 265).
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Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (14. Januar 2025 um 13:17 Uhr)Solange du gezwungen bist, von dem zu leben, was das Kapital für dich übrig lässt, wirst du wohl oder übel das Lied mitsingen müssen, das es für dich angestimmt hat. Erst wenn ein wirklich packendes Lied geschrieben ist, das die Massen freiwillig und mit Begeisterung mitsingen, wird ein so gewaltiger Choral gesungen werden, dass Himmel und Erde wieder zueinander finden. Anders wird es nicht funktionieren.
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vom 14.01.2025