Gegründet 1947 Mittwoch, 15. Januar 2025, Nr. 12
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 15.01.2025, Seite 1 / Titel
Fußball und Polizei

Fußball wird Risiko

Bundesverfassungsgericht: Vereine dürfen für Polizeieinsätze bei Sicherheitsspielen zur Kasse gebeten werden
Von Nick Brauns
1.jpg
Polizei im Stadion beim DFB-Pokalfinale zwischen Eintracht Frankfurt und RB Leipzig (Berlin, 3.6.2023)

Die Bundesländer dürfen dem Profifußball die erhöhten Polizeikosten für sogenannte Hochrisikospiele in Rechnung stellen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe am Dienstag in einem seit zehn Jahren andauernden Rechtsstreit. Gemeint sind Begegnungen von Vereinen, bei denen etwa aufgrund traditioneller Rivalitäten der Fans oder einer größeren Anzahl von Hooligans eine erhöhte Gefahrenlage vermutet wird.

Das Land Bremen hatte nach Inkrafttreten eines neuen Gebührengesetzes der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) im Jahr 2015 erstmals 425.000 Euro für einen Polizeieinsatz während eines – friedlich verlaufenden – Derbys zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV in Rechnung gestellt. Die Gebühr beinhaltete dabei nicht nur den Einsatz im Stadion und auf den direkten Zufahrtswegen, sondern auch Kosten für allgemeine Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum vor und nach dem Spiel, etwa an Bahnhöfen und in der Innenstadt.

Bei ihrer Verfassungsbeschwerde hatte die DFL argumentiert, die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sei eine aus Steuern zu finanzierende staatliche Kernaufgabe. Der Dachverband verwies auf die von den 36 Klubs der ersten und zweiten Bundesliga allein in der Saison 2022/23 geleisteten 1,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben.

Während Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die BVerfG-Entscheidung als »voll befriedigend« feierte, nannte DFL-Rechtsanwalt Bernd Hoefer das Urteil »enttäuschend«. Es sei aber so zu akzeptieren. Vor einem »Wettbewerbsnachteil für den Fußballstandort Deutschland« warnte der Deutsche Fußballbund (DFB) mit Blick auf internationale Sportereignisse. Für Vereine in der dritten Liga oder der Regionalliga seien solche Gebührenbescheide sogar »existenzgefährdend«.

Auch Zusammenschlüsse von Fußballfans schlagen Alarm. Von einem »Freifahrtschein für einen immer aggressiver und martialischer auftretenden Polizeiapparat« spricht Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen e. V. Die Schlachtenbummler seien bereits Woche für Woche mit martialischen Polizeieinsätzen konfrontiert, obwohl die Zahl von Straftaten beim Fußball im Promillebereich liege. »Bisher bestimmt allein das Feindbild Fan der Polizei, wie groß der Einsatz wird«, so Röttig. »Wer sich über zu hohe Polizeikosten beschwert, muss die Einsatzstärke endlich an der Realität ausrichten.« Jetzt solle den Klubs Entscheidungsgewalt in der polizeilichen Einsatzplanung eingeräumt werden, um überdimensionierte Polizeieinsätze endlich zu beenden, fordert der Vorsitzende der Fanorganisation »Unsere Kurve«, Jost Peter. Dafür gelte es auch die Expertise von Fans zu nutzen.

Zwar müssten in den obersten Ligen, wo extrem viel Geld verdient wird, nicht zwingend sämtliche Kosten für die polizeiliche Absicherung vom Steuerzahler getragen werden, meint André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Gruppe Die Linke im Bundestag, gegenüber jW. Doch sei zu befürchten, dass die Vereine ihre Mehrausgaben über eine Erhöhung der Ticketpreise an die Fans weitergeben. Im Urteil ist generell von »gewinnorientierten Großveranstaltungen« ab 5.000 Teilnehmern die Rede. Daher bestehe die Gefahr, dass derartige Gebührenerhebungen neben dem Fußball auf andere Bereiche mit vermeintlichen Gewaltneigungen ausgedehnt werden, um Veranstalter mit Blick auf mögliche Folgekosten von der Durchführung abzuschrecken, warnte Hahn.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (15. Januar 2025 um 10:28 Uhr)
    Warum Risiko? Fußball darf nicht auf Kosten der Allgemeinheit zum lukrativen Geschäft für einige Wenige werden!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hans Christoph S. aus Frankfurt am Main (14. Januar 2025 um 19:53 Uhr)
    Ich fürchte, hier fehlt der Hinweis, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch Organisationen/Einzelpersonen, die eine Demonstration anmelden wollen, anschließend für Polizeieinsätze gegen die eigene Demo zahlen sollen – mit Hinweis darauf, dass sei ja im Fall von Fußballhooligans »genau so«. Zwar sind ein Fußballspiel und eine Demonstration zwei sehr verschiedene Dinge. Aber es wird mit Sicherheit versucht werden, eine solche Praxis einzuführen und durchzusetzen.
    • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (15. Januar 2025 um 12:59 Uhr)
      Christoph S., Ihre Sorge ist unbegründet. Bei Profi-Fußballspielen bezahlt die Allgemeinheit (einschließlich der Nichtfußballfans) die Polizei, damit Profifußballclubs und Profifußballspieler, ungestört von irgendwelchen Störenfrieden, Geld scheffeln können. Nicht jedem gefällt das. Aber: Sehen Sie wirklich die Gefahr, dass hier jemand Ähnlichkeiten zu Demonstrationen ausmachen könnte?

Ähnliche:

  • Auch Fußballfans – hier des 1. FC Köln – beteiligen sich an den ...
    16.12.2021

    Versammlungsgesetz durchgepeitscht

    NRW: »Schwarz-gelbe« Landtagsmehrheit für Verschärfung. Gegner kündigen Verfassungsbeschwerde an
  • Protestaktion 2012: Atomtransport in der Wesermündung wird von G...
    16.07.2015

    Gegen strahlende Häfen

    Grundsatzentscheidung: Verwaltungsgericht lässt Bremer Teilverbot für Verschiffung radioaktiver Stoffe von Bundesverfassungsgericht prüfen

Regio:

Alle redaktionellen Beiträge zur RLK25 sind nun hier verfügbar