Fußball wird Risiko
Von Nick BraunsDie Bundesländer dürfen dem Profifußball die erhöhten Polizeikosten für sogenannte Hochrisikospiele in Rechnung stellen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe am Dienstag in einem seit zehn Jahren andauernden Rechtsstreit. Gemeint sind Begegnungen von Vereinen, bei denen etwa aufgrund traditioneller Rivalitäten der Fans oder einer größeren Anzahl von Hooligans eine erhöhte Gefahrenlage vermutet wird.
Das Land Bremen hatte nach Inkrafttreten eines neuen Gebührengesetzes der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) im Jahr 2015 erstmals 425.000 Euro für einen Polizeieinsatz während eines – friedlich verlaufenden – Derbys zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV in Rechnung gestellt. Die Gebühr beinhaltete dabei nicht nur den Einsatz im Stadion und auf den direkten Zufahrtswegen, sondern auch Kosten für allgemeine Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum vor und nach dem Spiel, etwa an Bahnhöfen und in der Innenstadt.
Bei ihrer Verfassungsbeschwerde hatte die DFL argumentiert, die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sei eine aus Steuern zu finanzierende staatliche Kernaufgabe. Der Dachverband verwies auf die von den 36 Klubs der ersten und zweiten Bundesliga allein in der Saison 2022/23 geleisteten 1,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben.
Während Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die BVerfG-Entscheidung als »voll befriedigend« feierte, nannte DFL-Rechtsanwalt Bernd Hoefer das Urteil »enttäuschend«. Es sei aber so zu akzeptieren. Vor einem »Wettbewerbsnachteil für den Fußballstandort Deutschland« warnte der Deutsche Fußballbund (DFB) mit Blick auf internationale Sportereignisse. Für Vereine in der dritten Liga oder der Regionalliga seien solche Gebührenbescheide sogar »existenzgefährdend«.
Auch Zusammenschlüsse von Fußballfans schlagen Alarm. Von einem »Freifahrtschein für einen immer aggressiver und martialischer auftretenden Polizeiapparat« spricht Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen e. V. Die Schlachtenbummler seien bereits Woche für Woche mit martialischen Polizeieinsätzen konfrontiert, obwohl die Zahl von Straftaten beim Fußball im Promillebereich liege. »Bisher bestimmt allein das Feindbild Fan der Polizei, wie groß der Einsatz wird«, so Röttig. »Wer sich über zu hohe Polizeikosten beschwert, muss die Einsatzstärke endlich an der Realität ausrichten.« Jetzt solle den Klubs Entscheidungsgewalt in der polizeilichen Einsatzplanung eingeräumt werden, um überdimensionierte Polizeieinsätze endlich zu beenden, fordert der Vorsitzende der Fanorganisation »Unsere Kurve«, Jost Peter. Dafür gelte es auch die Expertise von Fans zu nutzen.
Zwar müssten in den obersten Ligen, wo extrem viel Geld verdient wird, nicht zwingend sämtliche Kosten für die polizeiliche Absicherung vom Steuerzahler getragen werden, meint André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Gruppe Die Linke im Bundestag, gegenüber jW. Doch sei zu befürchten, dass die Vereine ihre Mehrausgaben über eine Erhöhung der Ticketpreise an die Fans weitergeben. Im Urteil ist generell von »gewinnorientierten Großveranstaltungen« ab 5.000 Teilnehmern die Rede. Daher bestehe die Gefahr, dass derartige Gebührenerhebungen neben dem Fußball auf andere Bereiche mit vermeintlichen Gewaltneigungen ausgedehnt werden, um Veranstalter mit Blick auf mögliche Folgekosten von der Durchführung abzuschrecken, warnte Hahn.
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