Bedrohung im Briefkasten
Von Felix JotaAuch per Wurfsendung droht die AfD ganzen Bevölkerungsgruppen mit Vertreibung. Im Anschluss an den Bundesparteitag in Riesa am Wochenende hat der Kreisverband Karlsruhe mit einer Wahlkampfaktion nun auch die Ermittlungsbehörden auf den Plan gerufen: Der AfD-Verband verteilte Broschüren, die wie Flugtickets gestaltet sind und als Passagiere »illegale Einwanderer« angeben, in Briefkästen. Als »Abflugdatum« ist der 23. Februar aufgedruckt, der Tag der vorgezogenen Bundestagswahl. Die Route führt aus der BRD und endet in einem »sicheren Herkunftsland«. Unten auf dem Flyer ist die Losung »Nur Remigration kann Deutschland noch retten« mit dem zynischen Nachsatz »Zu Hause ist es auch sehr schön« zu lesen.
Gegenüber dpa bestätigte der Sprecher des baden-württembergischen AfD-Landesverbands am Dienstag, dass solche Flyer in Karlsruhe verteilt werden. Diese würden sich an alle Wahlberechtigten richten. Auch an Wahlkampfständen würden diese »Flugtickets« verteilt. Die Rede war von etwa 30.000 Exemplaren. Die Druckvorlage werde auf Anfrage auch an andere Kreisverbände weitergegeben. Die Partei Die Linke in Karlsruhe hatte zuvor berichtet, dass die »Abschiebetickets« offenbar gezielt in Briefkästen von Menschen mit Migrationshintergrund gesteckt worden seien. Dies bestritt die AfD. Auf der Website des AfD-Kreisverbands Karlsruhe-Stadt ist der Flyer zu finden. In einer Mitteilung vom Montag heißt es dazu, er solle den Wählern »unsere völlig im Einklang mit der Rechtslage erhobenen Forderungen in diesem Themenbereich nahebringen«. Diese stünden auf der Rückseite des »Abschiebetickets«, die leider noch nirgendwo abgebildet worden sei.
Die Polizei ist wegen des Verdachts auf Volksverhetzung aktiv geworden, wie sie gegenüber dem SWR laut einem Bericht vom Dienstag mitteilte. Es würden Informationen gesammelt und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Derzeit werde nicht gegen einen bestimmten Beschuldigten ermittelt, sagte ein Sprecher der Polizei dem Sender. Es seien noch keine Anzeigen eingegangen. Aber eine solche kündigte Marcel Bauer, Bundestagskandidat für die Karlsruher Linkspartei, wegen Volksverhetzung und Bedrohung an. Sie soll sich ihm zufolge gegen die Verantwortlichen für die Verteilung des Flyers richten. Die AfD setze auf »faschistische Methoden«. Der normalisierende Umgang mit dieser »menschenverachtenden Partei« müsse ein Ende finden, forderte Bauer.
Dessen Parteiverband wolle nicht zulassen, dass die AfD ein Klima der Angst schaffe. Die fluchtpolitische Sprecherin der Linke-Gruppe im Bundestag, Clara Bünger, sieht laut einer Mitteilung vom Dienstag in der Flyeraktion einen Ausdruck dessen, was die AfD unter »Remigration« verstehe. Es handele sich »nicht nur um hetzerische Rhetorik, sondern um einen bewussten Versuch, Ängste zu schüren und gesellschaftliche Spaltung voranzutreiben«, erklärte Bünger. Dabei greife die AfD auf »altbekannte Strategien« zurück: Bereits 2011 habe die NPD ähnliche »Abschiebetickets« verschickt.
Das war auch dem SPD-Bundestagsabgeordneten Macit Karaahmetoğlu aufgefallen. Der stellvertretende Vorsitzender der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe verwies laut Frankfurter Rundschau (Dienstag) auf die Ähnlichkeit der beiden Flugblätter. »Die AfD möchte mit aller Gewalt einen Wahlerfolg erzielen und setzt dabei auf genau das: eine Sprache der Gewalt«, befand Karaahmetoğlu. Sie scheine wenige Wochen vor der Bundestagswahl »völlig enthemmt« zu sein und schrecke vor nichts mehr zurück. Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) sah eine Grenze überschritten, so der Politiker gegenüber dem SWR. Auf das »Angstrauschen«, das im vergangenen Jahr lauter geworden sei, »dann im Briefkasten solche Zettel zu finden, verstärkt noch mal ein Unsicherheits- und Angstgefühl«, betonte Mentrup.
Die für die Flyeraktion aufgewendeten Mittel hoffen die Wahlkampfmanager der AfD in »bare Münze«, sprich Wählerstimmen, verwandeln zu können. Im »Trendbarometer« der Privatsender RTL und Ntv legte die Partei leicht zu. Laut den am Dienstag veröffentlichten Ergebnissen einer Umfrage des Instituts Forsa wird die AfD erstmals seit rund einem Jahr bei einem Zustimmungswert von 20 Prozent gesehen.
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