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Aus: Ausgabe vom 15.01.2025, Seite 4 / Inland
Linke schließt Ramsis Kilani aus

Grundprinzipien aufgegeben

Wegen Engagement gegen Genozid: Linke veröffentlicht Begründung für Ausschluss von Palästinaaktivist Ramsis Kilani
Von Yaro Allisat
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Ramsis Kilani tritt regelmäßig bei palästinasolidarischen Kundgebungen in Berlin auf (13.12.2024)

Anfang Dezember schloss die Linkspartei den Palästina-Aktivisten Ramsis Kilani aus der Partei aus. Laut der ehemaligen Berliner Landesvorsitzenden Katina Schubert, die den Antrag gemeinsam mit dem EU-Abgeordneten und ehemaligen Parteivorsitzenden Martin Schirdewan gestellt hatte, ist der Ausschluss nicht durch Kilanis inhaltliche Positionierung motiviert, sondern weil er »der Partei schweren Schaden« zugefügt habe.

Anfang Januar folgte die schriftliche Begründung der Landesschiedskommission, die auf der Website der Berliner Linken veröffentlicht wurde. Diese zeigt: Bei der Causa geht es eindeutig um Kilanis Aktivismus gegen den Genozid in Palästina. Selbstverständlich dürfe der Antragsgegner sich mit den Menschen in Palästina solidarisieren und die Menschenrechtsverbrechen in Gaza kritisieren, heißt in dem Schreiben. Diese Solidarisierung habe »allerdings die Grenze dort erreicht, wo der Antragsgegner sich nicht klar genug gegen die Menschenrechtsverbrechen der Hamas und die Gewalttätigkeit gegenüber israelischen Zivilistinnen und Zivilisten abgrenzt«, so die Schiedskommission. Mit seinen Äußerungen habe Kilani schwerwiegend »Glaubwürdigkeit und Ansehen der Partei« geschädigt. Die »Gewalt von Unterdrückern und Unterdrückten wird undifferenziert gleichgesetzt, linke Grundprinzipien abgelegt«, kritisiert Kilani die Begründung für seinen Ausschluss am Dienstag gegenüber jW.

Dreh- und Angelpunkt für den Ausschluss ist, dass Kilanis Äußerungen unter anderem Vertreter jüdischer Gemeinden, des DGB und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands bewogen hätten, ihre Zusammenarbeit mit der Partei in Frage zu stellen. Das 20seitige Papier führt dafür die »Negierung des Existenzrechts Israels«, die Bezeichnung Israels als »koloniales Gebilde« als problematisch an. Einzelne Äußerungen Kilanis zu der 9jährigen Hamas-Geisel Emily Hand und zur angeblichen Vergewaltigung der Israelin Naama Levy, die Kilani selbst gegenüber der Schiedskommission in den Kontext der israelischen Besatzung Palästinas, des Genozids an den Palästinensern und der Unterrepräsentation palästinensischer Perspektiven in deutschen Medien setzte, werden als »menschenverachtend« und unvereinbar mit der Partei eingeordnet. Auch die Auseinandersetzung vom Berliner Landesparteitag, nach dem das Ausschlussverfahren angeleiert worden war, wird angeführt. Kilani wird unterstellt, sich mit seinen Äußerungen am Rande der Strafbarkeit zu bewegen.

Kilani, dessen Familie im Juli 2014 durch einen israelischen Luftangriff in Gaza getötet wurde, erklärt dazu gegenüber der jW: »Was der Partei tatsächlich geschadet hat, war die Missachtung des rechten Rands der Berliner Linkspartei gegenüber einer demokratischen Entscheidung gegen ihren Ursprungsantrag, der Parteiausschluss gegen mich und die Absurditäten, die seitens der Parteirechten in diesem Bezug veröffentlicht wurden, nicht dass ich mich und das Recht auf Palästina-Solidarität gegen ihren Irrsinn verteidigt habe.«

Die Organisation Sozialismus von unten (SVU), der Kilani angehört, empfahl ihren Unterstützern Mitte Dezember, »die Arbeit in der Linken zu beenden«. Eine von ihnen ist auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Christine Buchholz. SVU sieht in dem Ausschluss ein tieferliegendes Problem: Antimilitaristische Positionen würden unter dem Credo der Koalitionsfähigkeit immer weiter inFrage gestellt. Die Linke gebe immer wieder dem Druck nach, sich die Solidarität mit Israel als Staatsräson zu eigen zu machen. Kilani will rechtlich gegen den Ausschluss vorgehen, damit daraus »kein Präzedenzfall zum Ausschluss palästinasolidarischer Aktivisten« wird.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (14. Januar 2025 um 21:42 Uhr)
    Ramsis Kilani sollte keine Träne über diesen Rausschmiss vergeuden. Denn, wer wählt noch eine sog. Linke, die opportunistisch agiert und die Kriegsverbrechen Israels und den Genozid am palästinischen Volk duldet bzw. befürwortet.

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