Neue Streichliste des Berliner Senats
Von Susanne Knütter
Erst im Dezember hatte das Berliner Abgeordnetenhaus eine Kürzungsorgie von drei Milliarden Euro abgesegnet. Am Dienstag folgte der nächste Streich. Der Senat beschloss die Investitionsplanung für die kommenden Jahre. In der Pressemitteilung der Regierung heißt es, die Investitionsausgaben würden erhöht – und zwar auf rund 4,4 Milliarden Euro im Finanzierungszeitraum bis 2028. Das entspreche einer Investitionsquote von elf Prozent. Schwerpunkte seien Wohnungs- und Schulbau sowie die Verkehrsinfrastruktur. Das klingt doch gut.
Wenn die Details nicht wären. So gehen die erhöhten Ausgaben (900 Millionen in diesem Jahr und eine Milliarde im nächsten) an der einen Stelle mit neuerlichen Streichungen an anderer Stelle einher. Der Bau der Schnellstraße »Tangentiale Verbindung Ost« (TVO) wird deutlich teurer, wie RBB 24 vorab auf Grundlage der Senatsvorlage von CDU-Finanzsenator Stefan Evers berichtete. Dafür sinken die Ausgaben für die Verbesserung der Radinfrastruktur von 6,5 Millionen auf 500.000 Euro. Beim Ausbau des ÖPNV werden die Mittel halbiert. Anstatt 306 und 339 Millionen Euro in den Jahren 2026 und 2027 soll es nur 155 und 165 Millionen Euro geben.
Die »Multifunktionsbäder« in Pankow und Marzahn-Hellersdorf werden doch nur einfache Schwimmhallen ohne Außenbereich. Dafür wird die lang geplante Wasserballarena in Spandau gebaut. Laut Berliner Kurier war der Regierende Bürgermeister nicht nur lange Zeit CDU-Chef in Spandau, sondern auch Wasserballfan. Deutlich kostenintensiver und zudem früher als bisher geplant soll in den Umbau des ehemaligen Flughafens Tegel zur »Urban Tech Republic« investiert werden.
Zur neuen Investitionsplanung gehören laut Evers auch neue Finanzierungsformen. Ob folgendes damit gemeint ist? Aus dem Schulneubau zieht sich das Land offenbar komplett zurück. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge soll die Aufgabe nun komplett übernehmen und die Schulen dann an das Land Berlin vermieten. Weil sich das Finanzierungsmodell über öffentlich-private Partnerschaften in der Vergangenheit so »toll bewährt« hat, will Berlin es auch auf andere Bereiche ausweiten. So soll beispielsweise für die Sanierung der Philologischen Fakultät der Humboldt-Uni eine eigene Hochschulbaugesellschaft gegründet werden.
Carl Waßmuth vom Verein »Gemeingut in BürgerInnenhand« (GiB) erinnerte am Dienstag an die Kostenexplosion durch die Einbindung der Howoge als Schnittstelle zwischen der öffentlichen Hand und privaten Akteuren: In Berlin koste der Bau von 40 Schulen statt einer Milliarde 11,7 Milliarden Euro, erklärte Waßmuth gegenüber jW. »CDU und SPD wollen in Berlin hyperteure Schattenhaushalte und Privatisierungen ausweiten.« Von dieser ruinösen Politik profitierten zuerst private Banken: Sechs Milliarden Euro fielen bei der Howoge allein für Zinsen an. »Auch die Bauindustrie profitiert enorm, bei der Howoge darf sie das drei- bis sechsfache des Bundesdurchschnitts verlangen.« Damit fehle letztlich das Geld für Schulbau. Zwei Neubauten wurden bereits abgesagt, »Überfüllung, stinkende Toiletten und schimmelnde Keller werden zum Dauerkennzeichen von Berlins Schulen«.
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