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Aus: Ausgabe vom 15.01.2025, Seite 7 / Ausland
Indien

Hass gegen Muslime in Indien

Deutlicher Anstieg verzeichnet: Gewaltausbrüche im vergangenen Jahr vor allem religiös motiviert
Von Thomas Berger
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Muslimische Rohingya beim Gebet (Neu-Delhi, 14.6.2021)

Im vom rechten Premier Narendra Modi regierten Indien nehmen religiöser Hass und Übergriffe auf Angehörige von Minderheiten zu. Zu diesem Ergebnis kommt das Centre for the Study of Society and Secularism (CSSS), das nach Auswertung von Zeitungsberichten für das zurückliegende Jahr eine Zunahme solcher Gewaltakte um 84 Prozent errechnet hat. Über 59 »Communal Riots«, also Gewaltausbrüche vor dem Hintergrund unterschiedlicher Religionszugehörigkeit, berichteten Medien 2024 – das ist fast die doppelte Zahl gegenüber 32 Vorfällen 2023. Mit allein zwölf Gewaltakten lag der westindische Unionsstaat Maharashtra an der Spitze der regional aufgeschlüsselten Statistik. Bihar und das bevölkerungsreichste Uttar Pradesh folgten mit je sieben Fällen. In allen drei Teilstaaten gibt es einen Bevölkerungsanteil an Muslimen, der über dem Landesschnitt liegt – und oft eine besonders hohe Gewalttendenz hinduextremistischer Gruppierungen. 13 Todesopfer sind laut dem Bericht infolge der Gewaltausbrüche zu beklagen, darunter sind zehn Angehörige der größten religiösen Minderheit. Sie steht klar im Fokus der Attacken der Radikalen. Die restlichen drei Opfer waren Hindus. Bemerkenswert an den Ergebnissen der Studie ist auch, dass religiöse Feste oft Anlass der Gewalt sind.

In der Vergangenheit galten diese gesellschaftlich eher als verbindendes Element, so das Portal Newsclick in einem Beitrag zum Thema. Was früher vereinte – weil Angehörige anderer Glaubensrichtungen mitfeierten – wird heute oft missbraucht, um Hass zu säen und gezielt zu provozieren. Dazu gehört, dass Prozessionen von Hindunationalisten bei solchen Anlässen bewusst ihren Weg durch muslimisch dominierte Stadtteile nehmen, wie Irfan Engineer in der Einleitung zum Buch »Weaponization of Hindu Festivals« schreibt. Auch weitere Publikationen haben in den vergangenen Wochen aufgezeigt, wie etwa Popstars in ihren Liedern gegen die säkulare Basis der indischen Republik wettern und zu Gewalt gegen Minderheiten aufstacheln.

Zugenommen hat zudem der von radikalen Hindugruppen befeuerte Streit um »illegale« Moscheen. Sie rufen zur Zerstörung oder dem Abriss muslimischer Gotteshäuser auf, die vermeintlich oder tatsächlich an den Orten früherer Hindutempel erbaut wurden. Erst Ende November ereignete sich ein solcher Fall im nordindischen Unionsstaat Uttarakhand, bei dem ein Gericht stärkeren Polizeischutz für eine im Mittelpunkt einer solchen Kampagne stehende Moschee anordnen musste. »Niemand sollte sich in Hassreden oder Drohungen von Zerstörung ergehen«, zitierte seinerzeit The Times of India aus dem warnenden Urteil von High-Court-Chefrichter Manoj Kumar Tiwari und seinem Kollegen Rakesh Thapliyal.

Organisationen für die Rechte von Minderheiten und Bürgerrechtsgruppen prangern die Praxis an, bei der mit politischer Rückendeckung gezielt Häuser von Muslimen zerstört werden. In einem wegweisenden Urteil wandte sich schon im November 2023 der Supreme Court of India, Indiens Oberster Gerichtshof, deutlich gegen den als »Bulldozer-Gerechtigkeit« bezeichneten Trend. Dieses Urteil müsse aber auch umgesetzt werden, appellierte Amnesty International seinerzeit an einige Chefs von Regionalregierungen, darunter von Maharashtra und Uttar Pradesh.

Doch es gibt auch religiöse Gruppen, die sich deutlich gegen die Radikalen stellen und für Toleranz eintreten: Für einen Einsatz dafür wurde Anfang Dezember unter anderem Satya Dharam Samvad (SDS) mit dem »Swami Agnivesh Memorial Award« gewürdigt. SDS ist ein Team von spirituellen Hinduführern, die sich für Einheit in Vielfalt und gegen den Missbrauch des Hinduismus für politische Zwecke durch Radikale einsetzen. Gemeinsam mit anderen Organisationen warnen sie etwa frühzeitig, wenn es bei großen Hinduveranstaltungen absehbar zu Hassbotschaften kommt. Gerade der Oberste Gerichtshof ist inzwischen sensibilisiert und ermittelt neuerdings sogar gegen einen Richter am Allahabad High Court, der bei einem Treffen von Extremisten des »Vishva Hindu Parishad« (des »Welthindurats«, jW) Hassreden gehalten haben soll.

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