Freie Hand
Von Raphael MolterKnapp zehn Jahre stritten sich der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und der Deutsche Fußballbund vor Gericht über die Beteiligung an Polizeikosten bei »Hochrisikospielen«. Nun ist klar: Der deutsche Profifußball darf höchst offiziell zur Kasse gebeten werden. So sieht es das Bundesverfassungsgericht. Das hat zunächst nur Auswirkungen auf die Praxis in der Hansestadt, von den politischen Entscheidungsträgern aus Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württemberg vernimmt man verhaltene Skepsis. Die unterschiedlichen Haltungen der Länderregierungen dürften mit der besonderen lokalen Relevanz einiger Fußballvereine zu tun haben. Was verdeutlicht, dass der Fußball als »Volkssport« ein ideologisch höchst wirksamer Faktor ist – und somit Terrain des politischen Kampfes.
Die restlichen 35 Profivereine gaben bereits vor einigen Jahren bekannt, dass sie sich nicht an den Bremer Unkosten beteiligen würden. Auch einen Polizeikostenfonds lehnte die DFL ab. Hintergrund dürften u. a. die unklaren Kriterien für Hochrisikospiele sein. Die Einordnung sollte Duellen mit verstärkter Rivalität vorbehalten sein, wird aber von den Sicherheitsbehörden in jedem Einzelfall (und nicht immer transparent) neu vorgenommen. Die Entscheidung, welche Kosten anfallen, obliegt also nicht den zuständigen Organisatoren auf Vereins- und Verbandsebene, sondern staatlichen Stellen.
Das Fanbündnis »Unsere Kurve« spricht von einem schweren Schaden für die staatliche Ordnung der Bundesrepublik. Dass auf die Profivereine finanzielle Probleme zukommen, sollten andere Bundesländer das Bremer Modell übernehmen, ist offensichtlich. Der Schaden für das staatliche Ordnungsmodell dürfte sich allerdings in Grenzen halten, schafft die Entscheidung doch gerade mehr Spielraum für staatliche Eingriffe. Das betont der Dachverband der Fanhilfen, der einen »Freifahrtschein für einen immer aggressiver und martialischer auftretenden Polizeiapparat« ausmacht. Von sportlicher Autonomie ist immer weniger zu spüren, staatliche Eingriffe in Fußball und Fankultur nehmen auf mehreren Ebenen zu.
Könnten künftig nun auch Anmelder politischer Demonstrationen eine Rechnung für Polizeieinsätze bekommen? Zunächst eher nicht, denn wie der Erste Senat des BVerfG erklärte, ist die Gewinnabsicht neben der absehbaren Gewaltorientierung einer Veranstaltung das entscheidende Kriterium. Mehrkosten dürfen dann eingefordert werden, wenn ohnehin Gewinne anfallen. Sollte die Regelung Verbreitung finden, müssen sich also etwa Träger von Volksfesten Gedanken machen – oder die Organisatoren von Veranstaltungen wie der Rosa-Luxemburg-Konferenz.
Siehe auch
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 15.01.2025
Fußball wird Risiko
- 16.12.2021
Versammlungsgesetz durchgepeitscht
Mehr aus: Ansichten
-
Meinungsmacher des Tages: Tik Tok
vom 15.01.2025