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Aus: Ausgabe vom 15.01.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Der Böse stinkt

Haudraufregisseur Patryk Vega hat der Welt einen Putin-Spielfilm geschenkt
Von Reinhard Lauterbach
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Die Saat des Bösen und ihr gutes Gewissen

Die Leute interessiere das Böse, hat der polnische Filmemacher Patryk Vega der Gazeta Wyborcza anvertraut. Deshalb habe er den Film »Putin« gedreht – mit KI-generiertem Doppelgänger in der Titelrolle. Aber Patryk Vega ist eben doch kein Alfred Hitchcock, und so macht er das »Böse« gleichzeitig lächerlich und verächtlich: Zu Beginn des Filmes liegt ein pflegebedürftiger Wladimir Putin in seiner eigenen Scheiße. Ähnlich wie vor einigen Jahren die Titelfigur in Armando Iannuccis »The Death of Stalin« – nur, dass dessen finaler Schlaganfall in der Memoirenliteratur seiner engsten Mitstreiter hinreichend dokumentiert ist, während Vega naturalistisch vor sich hin antizipiert.

Hegel nennt das die Kammerdienerperspektive: den Helden unter den Aspekten zu betrachten, in denen er sich vom unheroischen Menschen gerade nicht unterscheidet – dass er esse, trinke und sich des Stiefelknechts bediene. »Auch Nixon tut wichsen«, reimten die Spontis in den 1970ern; über diesen Schuljungenstandpunkt ist Vega auch nicht hinausgekommen. Denn, ach Gott ja, es stinkt in der Umgebung von inkontinenten Menschen. Nicht einmal Pflegekräfte haben das gern, geschweige denn Bürger, die an das Gute im eigenen Staat glauben sollen und sich deshalb dessen Hauptfeind auch noch stinkend vorstellen sollen. So wie die Menschen des Mittelalters den Teufel. Nur geht darüber Vega der Beweiszweck flöten: Denn wenn Putin ein inkontinenter Mensch ist, dann ist er halt doch kein Dämon.

Im übrigen wird in dem Film bebildert, was diverse fleißige Putin-Biographen und angelsächsische Enthüllungsjournalisten so an Details aus dem Leben des großen Bösen zusammengetragen haben: ärmliche Kindheit in einem Leningrader Hinterhof, Mutproben mit aggressiven Ratten, eine »traumatische« Phase als subalterner KGB-Agent in Dresden, obwohl er wohl nicht viel zu tun hatte und dem Radeberger Bier mit Schaden für die Sportlerfigur zusprechen konnte. Weiterhin Unterstellungen über Leichen in seinem Kreml-Keller, sogar Boris Jelzin soll er um die Ecke gebracht haben und nicht, wie es die offizielle Geschichtsschreibung weiß, als erste Amtshandlung auf Lebenszeit amnestiert. Schreibtischsex mit der mutmaßlichen Geliebten Alina Kabajewa muss auch sein, nur dass in Vegas Film die offizielle Ehefrau genau in dem Moment ins Kreml-Allerheiligste hereinplatzt – als hätte Putin kein Vorzimmer und keinen Personenschutz. Also: Nicht mal die Dämonisierung ist richtig durchgezogen.

Vega hat sich, wie er der Wyborcza sagte, zu vielen technischen Einzelheiten des Films übrigens von Geheimdienstlern und Militärs aus den USA, Großbritannien und Israel beraten lassen. War da nicht zufällig auch ein Spezialist für psychologische Kriegführung dabei?

Schade um das Geld für die Kinokarte und die Zeit vor der Leinwand.

»Putin«, Regie: Patryk Vega, Polen (u. a.) 2024, 109 Min., bereits angelaufen

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (14. Januar 2025 um 21:02 Uhr)
    Zufällig habe ich im Fernsehen die Werbung für den Film gesehen: Das Machwerk kennzeichnet mehr seinen Macher und seine Helfershelfer als den Niederzumachenden aus.

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