Wachsender Einfluss
Von Jörg Kronauer![12-13.JPG](/img/450/204255.jpg)
Namibia, Republik Kongo, Tschad, Nigeria: Das waren die vier afrikanischen Staaten, die Chinas Außenminister Wang Yi Anfang Januar besuchte. Die Deutsche Welle nahm dies zum Anlass, über die Unterschiede zwischen der Afrikapolitik der Volksrepublik und derjenigen des Westens nachzudenken. Eine Besuchsreise in vier Länder des Kontinents habe etwa auch US-Außenminister Antony Blinken Anfang 2024 absolviert, rief der regierungsfinanzierte Sender in Erinnerung. Und doch – wenn zwei das gleiche täten, sei es nicht dasselbe. »Ein Partner stattet Besuche ab, wenn er Zeit dafür findet, der andere macht eine Tradition daraus« – so zitierte die Deutsche Welle den Nigerianer Ovigwe Eguegu, der sich auf Analysen zu Chinas Aktivitäten in Afrika spezialisiert hat. Eguegu bezog sich darauf, dass das chinesische Außenministerium seinen Chef seit dreieinhalb Jahrzehnten das westliche Kalenderjahr mit einer Reise auf den afrikanischen Kontinent beginnen lässt. Das sei ein Unterschied in der »Substanz«, erläuterte Eguegu – schließlich lasse Kontinuität Beziehungen gedeihen.
Es gebe weitere Unterschiede, hielt Christian-Geraud Neema vom China-Global South Project gegenüber der Deutschen Welle fest. Dass etwa die Staaten Europas heftig damit zu kämpfen hätten, passende Kooperationsangebote für die Länder Afrikas zu finden, liege auch daran, dass »die ökonomische Kluft zwischen Europa und Afrika zu gewaltig« sei, »von der Entwicklung bis zur Infrastruktur«. In Europa wisse man nicht, hielt Neema fest, »welche Art Angebot man auf den Tisch legen« müsse, damit es »für afrikanische Länder funktioniere«. China, soeben erst vom Entwicklungsland zur Industriemacht aufgestiegen, und selbst das noch nicht in allen Landesteilen, habe diesbezüglich einen Vorteil. Dieser aber zahlt sich aus. Die Aktivitäten der Volksrepublik auf dem afrikanischen Kontinent haben im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte in der Tat wachsenden Einfluss ausgeübt.
In den Umfragen vorn
Vorab: Wer sich mit Chinas Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent befasst, mit dem Einfluss, den es dort besitzt, und mit den Folgen seines Handelns für die afrikanischen Staaten, tut gut daran, zur Kenntnis zu nehmen, was deren Bevölkerung eigentlich über die Volksrepublik denkt. Die teilt nämlich die im Westen allzu gerne propagierte Behauptung, China beute Afrika rücksichtslos aus, mehrheitlich nicht. Selbstverständlich wird auch in den Staaten Afrikas über China, über seinen rasant steigenden ökonomischen und politischen Einfluss heiß diskutiert; selbstverständlich gibt es nicht bloß Befürworter einer engeren Kooperation, sondern auch Afrikaner, die eine Zusammenarbeit mit der Volksrepublik kritisch sehen, und auch solche, die sie ablehnen. Bei alledem dominiert jedoch eine positive Einschätzung der chinesischen Präsenz. Es gibt inzwischen einige Umfragen, die das belegen.
Bekannt sind etwa die Umfragen, die das Forschungsnetzwerk Afrobarometer mit Hauptsitz in Ghanas Hauptstadt Accra regelmäßig realisiert. Eine von ihnen, die in 34 Ländern Afrikas durchgeführt und deren Resultate Ende 2021 veröffentlicht wurden, ergab, dass im Schnitt rund 63 Prozent der Bevölkerung den chinesischen Einfluss positiv bewerteten; das war mehr als bei jedem anderen Land. Auf Platz zwei lagen die Vereinigten Staaten mit einer positiven Bewertung durch 60 Prozent der Bevölkerung. Europas ehemalige Kolonialmächte waren mit nur 46 Prozent weit abgeschlagen; Russland erreichte lediglich 35 Prozent. Afrobarometer führt seine Umfragen regelmäßig durch. Im Jahr 2023 zeigte sich, dass der Einfluss fremder Staaten in den Ländern Afrikas mittlerweile durchweg weniger positiv bewertet wurde – ein Zeichen stärkeren Strebens nach Eigenständigkeit womöglich, das besonders in Westafrika inzwischen hohe Wellen schlug. Chinas Einfluss wurde nun nur noch von 52 Prozent der befragten Bevölkerungen positiv bewertet. Damit lag die Volksrepublik aber weiter auf Platz eins vor den USA, deren Popularität auf 48 Prozent gefallen war.
Die Ergebnisse der Umfragen unterschiedlicher Institute unterscheiden sich. Eine Gallup-Umfrage hatte die USA auf dem afrikanischen Kontinent 2022 noch vor China gesehen – mit 59 respektive 52 Prozent. 2023 hatte sich die Lage jedoch verändert; nun lag die Volksrepublik mit 58 Prozent vor den Vereinigten Staaten mit 56 Prozent. Die Gallup-Umfrage hatte Deutschland eigens ausgewiesen; es kam auf rund 54 Prozent, während Russland immerhin 42 Prozent erreichte, basierend freilich darauf, dass es in einigen Ländern aufgrund besonderer Umstände besonders hohe Werte verzeichnete, etwa 89 Prozent in Mali, 81 Prozent in Burkina Faso und 76 Prozent im Tschad. Doch zurück zu China: Es sei auf dem afrikanischen Kontinent populär – das ergab die Gallup-Umfrage –, weil es zum größten Handelspartner aufgestiegen sei, weil zudem die »Neue Seidenstraße« (Belt and Road Initiative, BRI) auch den afrikanischen Kontinent überspanne und weil Beijing nicht zuletzt stark in die afrikanische Infrastruktur investiert habe.
Was die einzelnen Faktoren anbelangt, die laut Gallup Chinas Popularität in Afrika stärken: Der Handel zwischen beiden wächst ungebrochen. Im Jahr 2023 erreichte er mit einem Gesamtvolumen von 282 Milliarden US-Dollar – ein Plus von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr – einen neuen Höchstwert; er übertraf zugleich, wie bislang jedes Jahr seit 2009, den Afrikahandel aller anderen Staaten. Damit treibt er weiterhin das Wachstum des afrikanischen Kontinents an, das mit 3,2 Prozent im Jahr 2023 zwar nicht mehr so stark war wie im Vorjahr – 2022 hatte es bei gut vier Prozent gelegen –, das aber immer noch klar oberhalb des Wachstums der Vereinigten Staaten lag, die mit 2,5 Prozent stärker wuchsen als alle sechs anderen G7-Staaten. Unverändert gilt dabei: Die Volksrepublik knüpft ihre Wirtschaftstätigkeit auf und mit dem afrikanischen Kontinent nicht an politische Bedingungen; dies gilt selbstverständlich auch für ihren Handel. Für die Länder Afrikas ist die Tatsache, dass ihr Geschäft mit China nicht durch Auflagen welcher Art auch immer beeinträchtigt wird, ein klares Plus.
Waren gegen Rohstoffe
Ein echter Vorteil ist zudem, dass chinesische Produkte in der Regel deutlich kostengünstiger sind als entsprechende Produkte aus den Ländern der westlichen Welt. Das hat dazu geführt, dass Gebrauchsgüter, die die Bevölkerungen der afrikanischen Staaten benötigen, inzwischen immer häufiger aus China importiert werden. Einem im Sommer 2023 erschienenen Bericht der Mo Ibrahim Foundation zufolge, die einst von dem britisch-sudanesischen Telekom-Milliardär Mo Ibrahim gegründet worden war, importierten afrikanische Staaten Elektrogeräte mittlerweile nur noch zu 31,7 Prozent aus der teuren EU, zu 37,1 Prozent aber aus China. Bei der Einfuhr von Kleidung dominierte die Volksrepublik mit 56,9 Prozent, während sie bei der Einfuhr von Telekomgeräten und -ausrüstung mit 54,7 Prozent an der Spitze stand. Beim Import von Kraftfahrzeugen nach Afrika lag China mit einem Anteil von 15 Prozent schon klar vor Japan, das nur noch 10,1 Prozent hielt, wenngleich die Volksrepublik in dieser Branche noch nicht ganz zur EU mit ihrem Anteil von 33,5 Prozent hatte aufschließen können. Der rasante Aufschwung des Handels zwischen Afrika und China ist im afrikanischen Alltag also sehr präsent.
Nachteilig schlägt unverändert die Struktur des chinesisch-afrikanischen Handels zu Buche. Während Afrikas Einfuhren aus China im Jahr 2023 um 7,5 Prozent stiegen und ein Volumen von 173 Milliarden US-Dollar erreichten, gingen seine Exporte in die Volksrepublik um 6,7 Prozent zurück und lagen nur noch bei 109 Milliarden US-Dollar. Ursache für den Rückgang des Exportwerts – und damit der Einnahmen aus der Ausfuhr von Waren – waren deutlich gesunkene Weltmarktpreise für Rohstoffe, die Afrika vor allem in die Volksrepublik verkauft. Damit stieg das afrikanische Handelsdefizit, das im Jahr 2022 bereits bei 46,9 Milliarden US-Dollar gelegen hatte, auf 64 Milliarden US-Dollar an. Hinzu kam die unverändert ungleiche Struktur des Handels zwischen beiden Seiten: Während die Volksrepublik immer noch überwiegend Rohstoffe in Afrika erwarb, die ihre Industrie dann profitbringend verarbeitete, exportierte sie vor allem Industrieprodukte auf den afrikanischen Kontinent. Wenngleich es sich dabei nicht bloß um Konsumgüter handelte, sondern etwa auch um Maschinen zum Bau von Infrastruktur oder Fabriken: Aus Sicht Afrikas besteht mit Blick auf den ungleichen Handel klar Korrekturbedarf. Voraussetzung für Verbesserungen wäre freilich eine erfolgreiche afrikanische Industrialisierung.
Beijing hat die Tatsache, dass der afrikanische Kontinent ohne Industrialisierung kaum echte Fortschritte machen kann, durchaus im Blick. China fördert deshalb Investitionen – auch mit Blick darauf, wie es einst seinen eigenen Aufstieg in Gang gesetzt hatte. Seit den 1980er Jahren hatte es im großen Stil überlegene westliche Konzerne zum Bau von Fabriken in der Volksrepublik motiviert, um mit ihrer Hilfe Wege zur eigenen Industrialisierung zu eröffnen. Das Konzept ging auf: VW etwa investierte bereitwillig in China, wo das Unternehmen lange Jahre gewaltig profitierte. Chinesische Firmen lernten von westlichen Konzernen wie VW – und heute dominieren chinesische Elektroautohersteller den Markt in der Volksrepublik. Erste Versuche chinesischer Autobauer, in den Ländern Afrikas Produktionsstätten zu errichten – etwa mit dem Bau von Montagewerken 2011 in Kenia durch Foton Motors oder 2018 in Südafrika durch BAIC –, führten nicht zu echten Erfolgen; in Südafrika etwa verließ nach sechs Jahren gerade einmal das dreihundertste BAIC-Auto die dortige BAIC-Fabrik.
Ein Durchbruch ist nun aber vielleicht bei Elektroautos möglich. BYD nimmt den Bau einer Produktionsstätte in Südafrika in den Blick. Der Batteriehersteller Gotion errichtet für 1,3 Milliarden US-Dollar eine Gigafactory in Marokko. Weil Algerien Importbeschränkungen für Autos verhängt hat, haben Geely sowie Chery angekündigt, Werke an algerischen Standorten zu gründen.
Sonderwirtschaftszonen
Neben Einzelinvestitionen fördert Beijing schon seit längerem systematisch die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen auf dem afrikanischen Kontinent. Hintergrund sind die Erfolge, die Sonderwirtschaftszonen wie diejenige in Shenzhen der Volksrepublik einbrachten; sie trugen maßgeblich zu ihrem Aufstieg bei. Der Gedanke, dies vielleicht in Afrika nachahmen zu können, ist verlockend. Seit dem dritten China-Afrikagipfel (Forum on China-Africa Cooperation, FOCAC) im Jahr 2006 wird die Einrichtung neuer Sonderwirtschaftszonen mit chinesischer Beteiligung systematisch gefördert. Im Jahr 2024 listete Chinas Regierung schon 33 Sonderwirtschaftszonen mit chinesischer Beteiligung in Afrika auf; eine im selben Jahr am King’s College London erstellte Studie zählte sogar 45 Zonen. In solchen Zonen soll sich gezielt auswärtige Industrie ansiedeln; eine überaus effiziente Produktion soll Exporterfolge ermöglichen – nicht ohne Grund sind Sonderwirtschaftszonen häufig mit Häfen verbunden. Die chinesische Beteiligung kann etwa im Besitz, in der Finanzierung sowie in der Steuerung der Zonen oder von Teilen von ihnen bestehen.
Der Erfolg der Sonderwirtschaftszonen in Afrika, die mit chinesischer Beteiligung operieren, ist laut der am King’s College London erstellten Studie durchwachsen. Die Zonen besäßen für die Wirtschaft der Länder, in denen sie eingerichtet worden seien, für ihre Industrialisierung und die Schaffung von Arbeitsplätzen erhebliche Bedeutung, heißt es in dem Papier. Berichte, die von einer Aushebelung der Souveränität der betreffenden Staaten durch chinesische Eigentümer der Sonderwirtschafts-zonen sprächen, seien stark übertrieben. Es sei aber schon recht klar zu erkennen, dass sie Chinas Einfluss im Standortstaat spürbar mehrten, heißt es in der Studie, die zudem zu dem Schluss kommt, eine »transformierende Rolle«, wie sie einst etwa die Sonderwirtschaftszone Shenzhen erlangt habe, sei bei den Sonderwirtschaftszonen, die mit chinesischer Beteiligung in Afrika errichtet würden, nicht zu erkennen – ein »afrikanisches Shenzhen« gebe es, bis heute jedenfalls, nicht. Das spreche zwar keineswegs grundsätzlich gegen Sonderwirtschaftszonen, könne aber Anstöße geben, sie künftig zu verbessern. Das habe die Volksrepublik übrigens mit ihren eigenen Sonderwirtschaftszonen ebenfalls getan.
Apropos Investitionen: Bis heute spielen auch Chinas Investitionen in Afrikas Infrastruktur eine wichtige Rolle. Laut einem im Herbst 2021 vom Informationsbüro des Staatsrats der Volksrepublik publizierten Papier hatten chinesische Unternehmen seit dem Jahr 2000 über 10.000 Kilometer Eisenbahnschienen und nahezu 100.000 Kilometer Straßen auf dem afrikanischen Kontinent gebaut oder modernisiert; hinzu kamen nahezu 1.000 Brücken und 100 Häfen sowie Stromnetze mit einer Länge von rund 66.000 Kilometern. Im Jahr 2020 hätten chinesische Projekte 31,4 Prozent aller Infrastrukturvorhaben in Afrika ausgemacht, hieß es weiter in dem Papier. Wozu die Anstrengung? Es stimmt: Die Straßen, Schienen und Brücken, die chinesische Unternehmen errichteten, erleichtern den Transport afrikanischer Rohstoffe in die Volksrepublik. Es stimmt aber auch, was die Weltbank etwa im Jahr 2017 schätzte – dass Lücken in ihrer Infrastruktur die afrikanischen Staaten jährlich 1,7 Prozent ihrer potentiellen Wirtschaftsleistung kosteten. »Wenn du wohlhabend werden willst, musst du Straßen bauen«: Dieses chinesische Sprichwort wurde im Kontext mit der chinesischen Unterstützung für afrikanische Infrastrukturvorhaben oft zitiert.
Zweierlei bliebe im Zusammenhang mit chinesischen Infrastrukturvorhaben festzuhalten, die übrigens häufig im Rahmen der BRI realisiert werden. Das eine: Es hat nicht zuletzt mit der Dringlichkeit zu tun, Infrastruktur so rasch wie möglich zu errichten, dass zur Durchführung von Bauprojekten immer wieder chinesische Arbeiter auf den afrikanischen Kontinent entsandt wurden, die – anders als zuweilen afrikanische Arbeiter – nicht erst ausgebildet werden mussten. Den Höhepunkt erreichte die Zahl der auf dem afrikanischen Kontinent arbeitenden Chinesen im Jahr 2015; damals lag sie bei knapp 264.000. Seitdem geht sie stetig zurück und fiel bis 2022 auf etwas über 88.000. Zugleich arbeitet die Volksrepublik allerdings darauf hin, afrikanische Nachwuchskräfte aus- und fortzubilden, um die Staaten Afrikas mit eigenständig handlungsfähigem Personal zu versorgen. Schon 2018 war von mehr als 80.000 afrikanischen Studierenden an chinesischen Hochschulen die Rede; Afrikaner werden zudem beruflich in der Volksrepublik ausgebildet. Die Anwendung der dort erworbenen Kenntnisse wird ausdrücklich gefördert; so gibt es etwa agrarwirtschaftliche Studiengänge, bei denen man im zweiten Studienjahr Farmern im Heimatland zur Seite stehen soll.
Weniger Kredite
Das zweite: Der Bau afrikanischer Infrastruktur ist immer wieder mit chinesischen Krediten finanziert worden, und er wird es bis heute. Das hat zur Folge, dass in einigen Staaten Afrikas hohe Schulden bei chinesischen Kreditgebern aufgelaufen sind. Das ist vor allem in fünf Staaten der Fall – in Angola, Sambia, Nigeria, Kamerun und Kenia. In den anderen Ländern des Kontinents ragen chinesische Kredite nicht aus der allgemeinen Verschuldung heraus; die Londoner Denkfabrik Chatham House stellte im Oktober 2023 fest, von den 696 Milliarden US-Dollar, auf die sich die Schulden Afrikas in der Zeit von 2000 bis 2020 verfünffacht hätten, seien lediglich zwölf Prozent als chinesische Kredite vergeben worden. In denjenigen fünf Staaten freilich, die hohe Kredite in der Volksrepublik aufgenommen hätten, sahen – und sehen – sich die Kreditgeber regelmäßig genötigt, Umschuldungen vorzunehmen oder auch andere Maßnahmen zu treffen, um Staatsbankrotte zu verhindern. Das führt immer wieder zu Streit, unter anderem deshalb, weil Beijing nicht bereit ist, eine Streichung der Schulden zu gewähren, sofern die privaten Gläubiger sich weigern, dies ebenfalls zu tun: Es will nicht zahlen, wenn reiche Individuen im Westen unverändert profitieren.
Die Schuldenproblematik ist neben der Tatsache, dass chinesische Banken sich aktuell stärker um die Ankurbelung der Wirtschaft im eigenen Land kümmern müssen, die wohl zentrale Ursache dafür, dass die Volksrepublik die Kredite für afrikanische Länder in den vergangenen Jahren zurückgefahren hat und weiter zurückfährt. Auf dem jüngsten FOCAC, das vom 4. bis zum 6. September abgehalten wurde, sagte Beijing zwar weitere Mittel in Höhe von bis zu 50 Milliarden US-Dollar zu; von diesen sollten jedoch wenigstens zehn Milliarden US-Dollar als Entwicklungshilfe gewährt und weitere zehn Milliarden US-Dollar von Privatunternehmen investiert werden. Zudem warb die Volksrepublik für das Motto »Small yet beautiful«; neue Projekte sollten, im Gegensatz zu den bisherigen Großinvestitionen in die Infrastruktur, eher klein sein und keine exzessiven Kosten verursachen. Davon abgesehen versprach Beijing dafür zu sorgen, dass seine Einkäufe in Afrika zunehmen; dazu setzte es Zölle auf Einfuhren aus den am wenigsten entwickelten Staaten, darunter 33 Länder Afrikas, auf Null. Mehr chinesische Einkäufe in Afrika – das wäre ein geeignetes Mittel, um die Ökonomie auf dem afrikanischen Kontinent zu stärken.
Das FOCAC 2024 beschloss darüber hinaus, Chinas militärische Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent auszubauen. Was die bilaterale Militärkooperation angeht, ist dies relativ neu. Militärische Aktivitäten in Afrika hatte die Volksrepublik bislang vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen durchgeführt; mit ihren über 2.200 Soldaten, die 2024 unter UN-Flagge im Einsatz waren – drei Viertel von ihnen in Afrika –, lag sie auf der Rangliste sämtlicher Staaten, die UN-Friedenstruppen stellten, auf Platz zehn und hatte mehr Soldaten in UN-Einsätze entsandt als alle vier anderen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats zusammen. Im Jahr 2009 hatte Beijing – zunächst noch recht vorsichtig – ein erstes Manöver auf dem afrikanischen Kontinent realisiert und gemeinsam mit Gabuns Streitkräften eine humanitäre Evakuierung geübt. 2014 startete es erste gemeinsame Manöver mit Nigeria, Namibia und Tansania; 2016 folgte ein gemeinsames Manöver mit Südafrika, das eine umfassende gemeinsame Kriegsoperation erprobte.
Mehr Manöver
Der nächste Meilenstein war im Juli und August 2024 ein gemeinsames Manöver mit Tansania und Mosambik, zu dem China 1.000 Soldaten entsandte; an ihm nahmen Truppen des Heeres, der Luftwaffe, der Marine sowie Spezialkräfte teil. Geprobt wurden dabei unter anderem umfassende Kriegshandlungen. Wie es nun auf dem FOCAC 2024 hieß, sollen die gemeinsamen chinesisch-afrikanischen Manöver spürbar ausgeweitet werden. Darüber hinaus teilte Präsident Xi Jinping auf dem FOCAC 2024 mit, Beijing wolle 6.000 Militärs und 1.000 Polizisten aus afrikanischen Staaten trainieren. Zudem sollten gut 500 afrikanische Offiziere zu Fortbildungen in die Volksrepublik eingeladen werden. Damit zeichnet sich ein stärkeres militärisches Auftreten Chinas in Afrika ab – in einer Zeit, in der die westlichen Streitkräfte auf dem afrikanischen Kontinent erheblich in der Defensive sind, insbesondere die Streitkräfte Frankreichs, in geringerem Maß auch diejenigen der USA.
Nicht zuletzt fokussierte das FOCAC 2024 sich darauf, Modernisierung zu fordern – und zwar eine Modernisierung nach dem Modell Chinas: Damit blicke man auf eine »gemeinsame Zukunft«. Xi unterstrich zudem die Bedeutung der »gemeinsamen Vergangenheit« Chinas und Afrikas – einer Vergangenheit, in der der Westen den Entwicklungsländern »immenses Leid zugefügt« habe. Der Bezug auf die gemeinsame Kolonialerfahrung und auf die künftigen Chancen kam gut an; der Volksrepublik gelang es, sich ganz offen als Alternative zum Westen in Stellung zu bringen. Das Gipfeltreffen in Beijing war nicht nur die größte diplomatische Veranstaltung in China seit der Covid-19-Pandemie; es lockte auch mehr afrikanische Staats- und Regierungschefs in die chinesische Hauptstadt, als zur UN-Generalversammlung kamen. Während der Westen sich immer schärfer gegen die Volksrepublik in Stellung bringt, nähert Afrika sich ihr an.
Jörg Kronauer schrieb an dieser Stelle zuletzt am 28. Dezember 2024 über den Krieg im Sudan
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