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Aus: Ausgabe vom 15.01.2025, Seite 14 / Feuilleton

Rotlicht: Isolationismus

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Er gibt dem Imperialismus ein neues (altes) Gesicht: Donald Trump

Ein bekanntes Beispiel für das Bestreben von Staaten, Kontakte zu fremden Ländern zu begrenzen, findet sich in der chinesischen Ming-Dynastie (1368 bis 1644). Hatte der berühmte Seefahrer Zheng He noch in den Jahren ab 1405 insgesamt sieben sehr erfolgreiche Expeditionen absolviert, die ihn bis nach Ostafrika geführt hatten, setzte Zhengtong, der sechste Ming-Kaiser, der 1435 sein Amt antrat, der unter seinen Vorgängern ausgreifenden Schiffahrt ein Ende. Er erließ ein Seehandelsverbot, ließ Marinebasen in der Küstenprovinz Fujian schleifen, und nicht nur das: Auch die berühmte Große Mauer ließ er reparieren und weiter ausbauen. Die Ming-Dynastie reduzierte ihre expansiven Aktivitäten, China zog sich gewissermaßen auf sich selbst zurück. Für die Herrscher gab es in dem riesigen Land genug auszubeuten.

Rund 200 Jahre später erlebte Japan eine Phase des Isolationismus. Von 1641 bis 1853 setzte das Tokugawa-Shogunat eine Abkehr von der Außenwelt durch. Kontakte mit fremden Staaten blieben nicht vollständig aus – es gab durchaus Beziehungen zu China, Korea und den Ryukyu-Inseln –, aber die wurden massiv zurückgefahren. Unter anderem mussten europäische Eroberer, Spanier und Portugiesen, Japan verlassen. Versuche, von Europa nach Japan zu reisen, waren riskant. Handel wurde indirekt und inoffiziell abgewickelt. Das änderte sich erst, als im Jahr 1853 eine Flottille der US-Marine unter dem Offizier Matthew C. Perry nahe dem heutigen Tokio anlegte und Japans Öffnung für Ausländer erzwang. Die Vereinigten Staaten hatten es zunächst auf Stützpunkte auf dem Weg nach China abgesehen. Mit der ­Meiji-Restauration, die 1867 einsetzte, begann sich Japan zu modernisieren.

Als Perry Japans Öffnung für Ausländer erzwang, galt der Isolationismus als Leitmotiv der US-amerikanischen Außenpolitik. Oft heißt es, diese Policy sei erst 1917 mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg beendet worden. Die Einstufung ist ein wenig merkwürdig, bedenkt man, dass die Vereinigten Staaten in der Phase ihrer vermeintlichen Isolation unter anderem ­Kuba besetzten, sich die Philippinen als Kolonie unterwarfen und an der Unterwerfung Chinas beteiligt waren. Auch die verbreitete Meinung, die US-Außenpolitik sei in der Zwischenkriegszeit wieder isolationistisch gewesen, hinterlässt Fragen. Da gab es zunächst die US-Intervention im revolutionären Russland, dann das Streben, die Sowjetunion zu schwächen. Beides ist mit wirklichem Isolationismus kaum vereinbar. Und war die US-Intervention 1927 in Nicaragua Ausdruck einer isolationistischen Politik? Und die Wirtschaftsexpansion in Europa, die damals ohne militärische Nachhilfe funktionierte? Nun ja.

Der Begriff Isolationismus ergibt einen gewissen Sinn, wenn man ihn dem Interventionismus gegenüberstellt, den man von den USA, aber auch von anderen imperialistischen Staaten seit Jahrzehnten kennt: als stetige, gern auch bewaffnete Einmischung in aller Welt, um diese nach den Bedürfnissen des eigenen Kapitals zuzurichten. Imperialismus und echter Isolationismus, das geht aber nicht zusammen. Was auch für den US-Imperialismus Trumpscher Prägung gilt, dem zuweilen ebenfalls isolationistische Tendenzen nachgesagt werden. Genauer müsste man sagen: Trump zog in seiner ersten Amtszeit die Konsequenzen aus einer Überdehnung der Vereinigten Staaten, holte Truppen aus dem Mittleren Osten heim und suchte weniger Kräfte im Machtkampf gegen Russland zu verschwenden, da er verstanden hatte: Wollen die USA den Machtkampf gegen China gewinnen, dürfen sie sich anderswo nicht allzu sehr verzetteln. Mit Isolationismus hat das so wenig zu tun, wie es ein Zurückweichen wäre, wenn eine Speerwerferin den Arm mit dem Speer in der Hand nach hinten zieht – zum Wurf.

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