Anklage nach 199 Tagen
Von Marc BebenrothÜber ein halbes Jahr hält der ungarische Staat Maja T. bereits in Untersuchungshaft gefangen. 199 Tage unter wohl menschenunwürdigen Bedingungen. Am Montag hat die Generalstaatsanwaltschaft in Budapest Anklage gegen T. erhoben. Der Vorwurf: vierfache versuchte Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung »teils als Mittäter, teils als Gehilfe« sowie versuchte schwere Körperverletzung »in böser Absicht«, wie es in der amtlichen Mitteilung heißt.
Jene kriminelle Vereinigung, der T. und andere Nazigegner angehören sollen, soll das Ziel verfolgt haben, »Sympathisanten der extremen Rechten in zahlenmäßiger Überlegenheit koordiniert und unter Einsatz vor allem von Teleskopschlagstöcken anzugreifen«. T. wurde im Dezember 2023 in Berlin festgenommen wegen der mutmaßlichen Teilnahme an Angriffen vom 9. bis zum 11. Februar 2023 am Rande des »Tags der Ehre« in der ungarischen Hauptstadt. Damals hatten sich rund 2.000 Faschisten zu einem Aufmarsch und Gedenken an die Waffen-SS in Budapest getroffen.
Maja T. war am 28. Juni 2024 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von deutschen Beamten aus einer JVA in Dresden geholt und im Eiltempo über Österreich an die ungarische Justiz überstellt worden. Die Verteidiger von T. legten unverzüglich Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Aber die Entscheidung aus Karlsruhe, T. wieder zurückzuholen, bis in der Hauptsache über die Verfassungsbeschwerde entschieden ist, kam zu spät.
Laut Staatsanwaltschaft ging es den Beschuldigten darum, »eine abschreckende Botschaft an Vertreter rechtsextremer Bewegungen zu senden, indem sie ihnen absichtlich schwere oder sogar lebensbedrohliche Verletzungen zufügten oder durch die Umstände des unerwarteten Angriffs«. T. soll an Angriffen auf dem Fővám-Platz, dem Gazdagréti-Platz und der Bankstraße teils als Aufpasser, teils aktiv beteiligt gewesen sein. Gabriele M. aus Italien wird vorgeworfen, an den Angriffen auf dem Gazdagréti-Platz und der Mikó-Straße aktiv beteiligt gewesen zu sein. Gegen M. hat die Behörde ebenfalls am Montag Anklage erhoben, allerdings in Abwesenheit. Ein Gericht in Mailand hatte die Auslieferung abgelehnt. Wegen Zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, wie die Taz am Montag online berichtete.
Gegenüber dem Blatt bestätigte T.s Verteidiger Sven Richwin die Anklage. Er kritisierte demnach die erhobenen Strafandrohungen. Die Staatsanwaltschaft habe ihm zufolge bei einem Geständnis von T. ohne Verhandlung eine Strafe von 14 Jahren angeboten, mit Verbüßung unter »besonders strengen Haftbedingungen«. Ohne Geständnis stehe eine Haftstrafe von 24 Jahren im Raum, sagte Richwin und sprach von einem »krassen Missverhältnis« zu den Folgen der Angriffe – zu den Platzwunden, die innerhalb weniger Tage verheilen würden.
Richwin und sein Kanzleikollege Maik Elster äußerten sich gegenüber Taz auch zu T.s Haftbedingungen. »Die hygienischen Zustände und Verpflegung sind schlecht«, sagte Richwin. Mehrere Monate sei Maja T. rund um die Uhr in der Zelle videoüberwacht worden und befinde sich weiter in Isolationshaft. Vertretern des deutschen Konsulats sei ein Besuch in T.s Zelle verweigert worden. Die Anwälte selbst durften demnach im Dezember erst Maja T. sehen, nachdem ein Gericht ihrem Gesuch stattgegeben habe.
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