»Selbst kleinere Reparaturen sind ein Kraftakt«
Interview: Andreas MüllerFür eine Studie zur Situation der Sportstätten im Auftrag der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, haben Sie im vorigen Herbst 307 Städte, Gemeinden und Landkreise befragt. Vor zwei Tagen wurden die Resultate veröffentlicht. Hat das Ergebnis Sie schockiert?
Besonders schockiert war ich nicht. Wir wissen schon länger, dass der Zustand der kommunalen Sportstätten nicht gut ist und sich schleichend immer weiter verschlechtert. Viele stammen aus den Zeiten des »Goldenen Plans« in den 60er und 70er Jahren, und sind entsprechend gealtert und in einem Zustand, der häufig nicht mehr tragbar ist.
Immerhin gibt es nun eine aktuelle Bestandsaufnahme – anders als beim Schulsport, wo vor allem die Länder seit Jahren eine ehrliche Analyse fürchten. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse?
Besorgniserregend scheint mir, dass jede vierte Kommune angab, den Unterhalt von kommunalen Sportstätten in den letzten fünf Jahren nicht mehr geschafft zu haben. Das heißt, selbst kleinere Reparaturen bedeuten oft einen Kraftakt. Fast 60 Prozent der befragten Städte, Gemeinden und Landkreise gaben an, dass der Investitionsrückstand bei ihren Sporthallen »gravierend« oder »nennenswert« ist. Bei Hallenbädern sagten das sogar 62 Prozent. Die praktischen Folgen sind drastisch. Ohne Sanierung müssten in den kommenden drei Jahren voraussichtlich 16 Prozent der Freibäder, 15 Prozent der Eissporthallen und 14 Prozent der Hallenbäder schließen. Rund 40 Prozent der befragten Kommunen mussten schon jetzt einzelne Sportangebote wegen des baulichen Zustands der Sportanlagen reduzieren. Und angesichts der aktuellen finanziellen Lage befürchten rund 36 Prozent der Kommunen, künftig das Sportangebot einschränken zu müssen.
Wo hakt es am meisten?
Wir sind ziemlich in die Tiefe gegangen und haben festgestellt, dass neben den Gebäudehüllen vor allem die sanitären und technischen Anlagen in die Jahre gekommen sind, nicht zu reden vom energetischen Zustand der Sportanlagen – nach heutigen Maßstäben.
Laut dem Gesetz sind Städte und Gemeinden gemeinsam mit den jeweiligen Bundesländern für die allermeisten der bundesweit rund 231.000 Sportstätten verantwortlich. Wie könnte der Zustand der Sportstätten verbessert werden?
Die Kommunen sind damit überfordert, diesen immensen Investitionsrückstau abzubauen. Das betrifft außerdem nicht nur Sportstätten, sondern auch andere Bereiche der öffentlichen kommunalen Infrastruktur. Der Bund muss sich finanziell beteiligen. Wir haben auch abgefragt, in welcher Form diese Unterstützung den Bürgermeistern und Ortsvorstehern am liebsten wäre. Drei von vier Kommunen würden es für sinnvoll halten, mit Bundeshilfen die finanzielle Grundsituation vor Ort zu verbessern. Das würde die Kommunen in die Lage versetzen, die Sanierung und Instandsetzung ihrer Sportstätten aus dem eigenen Haushalt zu bestreiten. Dieser Lösungsansatz wird in den Städten und Gemeinden im Vergleich zum Ruf nach einem neuen speziellen Sportsanierungsprogramm vom Bund klar favorisiert. Ihre Finanzen zu verbessern, das hieße, den Kommunen auf unbürokratische Weise neue Handlungsspielräume zu eröffnen. Dagegen werden Förderprogramme des Bundes mit oft komplizierten und langwierigen Anträgen eher als zweite Wahl angesehen.
Am 11. November 2024 hat die bundesdeutsche Sektion des Verbandes für Sportstätten und Freizeitanlagen, IAKS, eine Petition gestartet. Es sollen Stimmen gesammelt werden, um die Politik zu animieren, sich für die Sportstätten ins Zeug zu legen und vor allem, um endlich genug Geld bereitzustellen. Sehen Sie Erfolgschancen?
Einen solchen Vorstoß halte ich für sinnvoll, um die Aufmerksamkeit auf ein derart wichtiges Thema zu lenken. Es geht unter anderem um die sportliche Betätigung von vielen Millionen Menschen. Es ist zwar nicht so, dass dieses Gesamtgefüge an Sportstätten unmittelbar vor dem Kollaps steht, aber es wird stetig schlechter. Als Wissenschaftler geht es mir vor allem darum, diese Entwicklung möglichst genau abzubilden.
Christian Raffer ist am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin als wissenschaftlicher Projektleiter im Forschungsbereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen tätig. Der Volkswirt leitete die Sportstätten-Studie im Auftrag der KfW
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