Ein letzter Bonus
Von Kristian StemmlerVor knapp zweieinhalb Jahren kochte die Affäre um Vetternwirtschaft, Verschwendung und Vorteilsannahme beim Rundfunk Berlin-Brandenburg hoch. Sie ging über in eine veritable, noch immer nicht beendete Krise des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seither finden Vorstöße, Mittel für die Sender zu kürzen und deren Zahl zu reduzieren, mehr Beifall als Widerspruch. Die gerichtliche Nachbereitung der RBB-Affäre ist eher nicht geeignet, daran etwas zu ändern – inzwischen haben ehemalige Führungskräfte des Senders mehrere Prozesse angestrengt.
Am Mittwoch sahen sich die im August 2022 fristlos entlassene frühere Intendantin Patricia Schlesinger und Vertreter des RBB, wo in der Führungsspitze inzwischen ein weitgehender Personalaustausch stattgefunden hat, im Berliner Landgericht I wieder. Dort begann vor vollen Zuschauerrängen ein Prozess, in dem es um gegenseitige finanzielle Forderungen der Parteien geht. Schlesinger, deren persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hatte, verlangt vom RBB die Zahlung eines vertraglich vereinbarten, vom Zeitpunkt der Trennung an lebenslang fälligen Ruhegelds, der Sender wiederum will Schadenersatz.
Das Gericht prüfte am Mittwoch, ob die Beteiligten sich einigen können. »Die Frage ist, ob die Parteien das hier vom Tisch bekommen wollen oder ob es durch die Instanzen gehen soll«, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Markfort. Offenbar kann sich Schlesinger vor Gericht Chancen ausrechnen. »Die Tendenz ist so, dass das Prozessrisiko auf seiten der Beklagten ist«, sagte Markfort – und meinte damit den RBB.
Der Intendantin wurde 2022 vorgeworfen, sie habe Spesen zu Unrecht abgerechnet, zwischen 2016 und 2022 mehr als ein halbes Dutzend Privatreisen dienstlich abgerechnet und Geld verschwendet. Es ging um Dienstwagen mit Massagesitzen, die luxuriöse Ausstattung in den Räumlichkeiten der Intendanz und üppige Essen auf Senderkosten bei der Intendantin zu Hause. Ihr Jahresgehalt war 2022 von 257.000 auf 303.000 Euro erhöht worden. Außerdem hatte Schlesinger ein Bonussystem für Führungskräfte eingeführt, von dem außer der fünfköpfigen Senderspitze lediglich noch weitere 24 Mitarbeiter profitierten.
Im November 2022 verklagte Schlesinger den Sender, der nach ihrer Kündigung Ende August 2022 alle Zahlungen eingestellt hatte, auf Zahlung eines Ruhegelds. Das steht ihr laut Dienstvertrag eigentlich nach Ende ihrer Tätigkeit bis zum Lebensende zu – allerdings, so sieht es der RBB, nicht im Falle einer außerordentlichen Kündigung. Über ihren Anwalt Ralf Höcker ließ Schlesinger dem RBB mitteilen, sie fordere sowohl das Ruhegeld als auch die betriebliche Altersversorgung, die sie sich über 30 Jahre beim NDR und beim RBB erarbeitet habe. Um den Streitwert nicht unnötig in die Höhe zu treiben, fordere sie die Klärung eines »Ruhegeldanspruchs« in Höhe von 18.384,54 Euro zunächst nur für einen Monat. Sollte das Gericht dem zustimmen, so wäre ihre Forderung aber grundsätzlich bestätigt.
Auf Schlesingers Klage reagierte der RBB mit einer sogenannten Widerklage: Der Sender will, dass sie Geld zurückzahlt. Die Forderungen summieren sich laut Gericht mittlerweile auf 1,78 Millionen Euro. Zudem soll das Gericht feststellen, dass die ehemalige Intendantin für die aufgelaufenen Kosten des inzwischen gestoppten Projekts »Digitales Medienhaus« haftet. Dabei geht es um gut 6,8 Millionen Euro. Der RBB stützt sich in der Begründung auch auf Berichte der Rechnungshöfe von Berlin und Brandenburg.
Richter Markfort stellte die Argumentation des Senders allerdings an vielen Stellen in Frage. So zog er in Zweifel, ob man Schlesinger auf Grundlage der Vorwürfe des Senders das Ruhegeld absprechen könne. Solche Verträge seien mehrmals geschlossen worden. Dass die damalige Intendantin eine Situation ausgenutzt habe, sei zunächst nicht ersichtlich. Die anwaltliche Vertretung Schlesingers erklärte, sie sei »auf Ruhegeld angewiesen«. Markfort regte eine Einigung an und fragte auch in Richtung Schlesinger, zu welchen Zugeständnissen man bereit sei. Schlesingers Anwälte signalisierten, dass sie auf einen Teil der aufgelaufenen Ruhegeldansprüche verzichte.
Die Ausführungen des Richters lösten mehrfach Kopfnicken auf der Seite der Exintendantin aus, während die RBB-Vertreter mitunter verärgert wirkten. Resultat des Verhandlungstages: Ein Mediator soll dabei helfen, sich zu einigen. Unberührt von diesem Zivilprozess sind Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft, die weiterhin mögliche strafrechtliche Aspekte des RBB-Skandals prüft. Zu den Verdächtigen hier gehört auch Schlesinger.
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