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Aus: Ausgabe vom 16.01.2025, Seite 4 / Inland
Skandal um den RBB

Ein letzter Bonus

Berlin: Fristlos entlassene RBB-Intendantin will vor Gericht Zahlung von Ruhegeld durchsetzen. Sender fordert Schadenersatz
Von Kristian Stemmler
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Auf Anordnung anwesend: Patricia Schlesinger am Mittwoch im Berliner Landgericht

Vor knapp zweieinhalb Jahren kochte die Affäre um Vetternwirtschaft, Verschwendung und Vorteilsannahme beim Rundfunk Berlin-Brandenburg hoch. Sie ging über in eine veritable, noch immer nicht beendete Krise des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seither finden Vorstöße, Mittel für die Sender zu kürzen und deren Zahl zu reduzieren, mehr Beifall als Widerspruch. Die gerichtliche Nachbereitung der RBB-Affäre ist eher nicht geeignet, daran etwas zu ändern – inzwischen haben ehemalige Führungskräfte des Senders mehrere Prozesse angestrengt.

Am Mittwoch sahen sich die im August 2022 fristlos entlassene frühere Intendantin Patricia Schlesinger und Vertreter des RBB, wo in der Führungsspitze inzwischen ein weitgehender Personalaustausch stattgefunden hat, im Berliner Landgericht I wieder. Dort begann vor vollen Zuschauerrängen ein Prozess, in dem es um gegenseitige finanzielle Forderungen der Parteien geht. Schlesinger, deren persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hatte, verlangt vom RBB die Zahlung eines vertraglich vereinbarten, vom Zeitpunkt der Trennung an lebenslang fälligen Ruhegelds, der Sender wiederum will Schadenersatz.

Das Gericht prüfte am Mittwoch, ob die Beteiligten sich einigen können. »Die Frage ist, ob die Parteien das hier vom Tisch bekommen wollen oder ob es durch die Instanzen gehen soll«, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Markfort. Offenbar kann sich Schlesinger vor Gericht Chancen ausrechnen. »Die Tendenz ist so, dass das Prozessrisiko auf seiten der Beklagten ist«, sagte Markfort – und meinte damit den RBB.

Der Intendantin wurde 2022 vorgeworfen, sie habe Spesen zu Unrecht abgerechnet, zwischen 2016 und 2022 mehr als ein halbes Dutzend Privatreisen dienstlich abgerechnet und Geld verschwendet. Es ging um Dienstwagen mit Massagesitzen, die luxuriöse Ausstattung in den Räumlichkeiten der Intendanz und üppige Essen auf Senderkosten bei der Intendantin zu Hause. Ihr Jahresgehalt war 2022 von 257.000 auf 303.000 Euro erhöht worden. Außerdem hatte Schlesinger ein Bonussystem für Führungskräfte eingeführt, von dem außer der fünfköpfigen Senderspitze lediglich noch weitere 24 Mitarbeiter profitierten.

Im November 2022 verklagte Schlesinger den Sender, der nach ihrer Kündigung Ende August 2022 alle Zahlungen eingestellt hatte, auf Zahlung eines Ruhegelds. Das steht ihr laut Dienstvertrag eigentlich nach Ende ihrer Tätigkeit bis zum Lebensende zu – allerdings, so sieht es der RBB, nicht im Falle einer außerordentlichen Kündigung. Über ihren Anwalt Ralf Höcker ließ Schlesinger dem RBB mitteilen, sie fordere sowohl das Ruhegeld als auch die betriebliche Altersversorgung, die sie sich über 30 Jahre beim NDR und beim RBB erarbeitet habe. Um den Streitwert nicht unnötig in die Höhe zu treiben, fordere sie die Klärung eines »Ruhegeldanspruchs« in Höhe von 18.384,54 Euro zunächst nur für einen Monat. Sollte das Gericht dem zustimmen, so wäre ihre Forderung aber grundsätzlich bestätigt.

Auf Schlesingers Klage reagierte der RBB mit einer sogenannten Widerklage: Der Sender will, dass sie Geld zurückzahlt. Die Forderungen summieren sich laut Gericht mittlerweile auf 1,78 Millionen Euro. Zudem soll das Gericht feststellen, dass die ehemalige Intendantin für die aufgelaufenen Kosten des inzwischen gestoppten Projekts »Digitales Medienhaus« haftet. Dabei geht es um gut 6,8 Millionen Euro. Der RBB stützt sich in der Begründung auch auf Berichte der Rechnungshöfe von Berlin und Brandenburg.

Richter Markfort stellte die Argumentation des Senders allerdings an vielen Stellen in Frage. So zog er in Zweifel, ob man Schlesinger auf Grundlage der Vorwürfe des Senders das Ruhegeld absprechen könne. Solche Verträge seien mehrmals geschlossen worden. Dass die damalige Intendantin eine Situation ausgenutzt habe, sei zunächst nicht ersichtlich. Die anwaltliche Vertretung Schlesingers erklärte, sie sei »auf Ruhegeld angewiesen«. Markfort regte eine Einigung an und fragte auch in Richtung Schlesinger, zu welchen Zugeständnissen man bereit sei. Schlesingers Anwälte signalisierten, dass sie auf einen Teil der aufgelaufenen Ruhegeldansprüche verzichte.

Die Ausführungen des Richters lösten mehrfach Kopfnicken auf der Seite der Exintendantin aus, während die RBB-Vertreter mitunter verärgert wirkten. Resultat des Verhandlungstages: Ein Mediator soll dabei helfen, sich zu einigen. Unberührt von diesem Zivilprozess sind Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft, die weiterhin mögliche strafrechtliche Aspekte des RBB-Skandals prüft. Zu den Verdächtigen hier gehört auch Schlesinger.

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  • Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (15. Januar 2025 um 21:12 Uhr)
    Das ist das Typische am aktuellen Kapitalismus, Geschäftsführer, Intendanten, Krankenkassen-Vorstände und viele sogenannte Führungskräfte schreiben sich selbst Verträge mit Millionenbezügen und unzähligen »Nebentätigkeiten« und exotischen Ruhestandsbezügen bis zu ihrem Lebensende, selbst dann, wenn sie wegen welcher Gründe auch immer, z. B. absoluter Unfähigkeit, aus dem Unternehmen scheiden. Das sind genau die Menschen, die in jeder Talkshow über die »Sozialschmarotzer«, Bürgergeldempfänger und Asylanten und deren »Belastung der Sozialsysteme« lamentieren. Politiker mit unzähligen Aufsichtsratssitzen mit »fürstlicher« Entlohnung stoßen dann ins gleiche Horn und fordern Steuersenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Die Partei Die Linke hatte im vorletzten Bundestagswahlkampf ein Steuerkonzept vorgestellt, das tatsächlich einen Weg zu mehr Steuergerechtigkeit bot, aber leider hat man nie wieder davon gehört. Wenn der, durch das Bildungssystem dumm gehaltene, Otto Normaverbraucher nur das Wort »Steuererhöhung« hört, zittert er sofort vor Angst, selbst dann, wenn er keine Steuern zahlt. »Nach oben buckeln, nach unten treten«, war schon immer ein gutes Konzept durchs Leben zu kommen, und aus Protest wählt man dann rechts. Wann fangen wir Linken endlich an, wieder über den demokratischen Sozialismus zu sprechen, wir wissen doch alle, wie Kapitalismus im Endstadium aussieht. Stellen wir doch einfach mal die Fragen: 1. Wie viele Kriege haben sozialistische Staaten während ihrer Existenz gegeneinander geführt? Wie viele Kriege führte allein die USA in der gleichen Zeit? 2. Wer konnte im Sozialismus seine Miete nicht zahlen und hatte Existenzangst? Das Konzept des BSW, Nationalismus und Sozialismus zu vereinen, hat man schon versucht, wann reden wir endlich davon, Sozialismus und Demokratie zu vereinen? Warum fehlt der Partei Die Linke der Mut und das Konzept dazu? Das Reformieren des Kapitalismus versucht die SPD seit 150 Jahren erfolglos.

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