Nordkoreanische Soldaten in Kursk?
Von Lars Lange
NATO-nahen Quellen zufolge sollen etwa 11.000 nordkoreanische Soldaten die russischen Streitkräfte in der Region Kursk unterstützen. Ukrainischen Angaben nach wurden kürzlich zwei nordkoreanische Soldaten gefangen genommen und verhört. Auch ein weiterer Vorfall wurde zuvor gemeldet, bei dem sich einer der mutmaßlichen Nordkoreaner selbst getötet haben soll, um einer Gefangennahme zu entgehen. Insgesamt sollen bei den Kampfhandlungen in der Region bisher 300 nordkoreanische Soldaten gefallen und etwa 2.700 verwundet worden sein. Die ukrainische Seite berichtet, dass die hohen Verluste auf grundlegende taktische Defizite bei diesen Einheiten zurückzuführen sind. Doch was ist wirklich über den Einsatz von Nordkoreanern bekannt, wie sieht die Quellenlage aus?
Derzeit ist es äußerst schwierig, verifizierbare Aussagen über die Präsenz solcher Truppen in Russland zu treffen, da alle diesbezüglichen Informationen ausschließlich aus dem NATO-Informationsraum stammen, d. h. direkt aus Mitgliedstaaten der westlichen Kriegsallianz oder aus mit Südkorea eng verflochtenen Strukturen. Deshalb lohnt sich die Frage nach dem Nutzen eines vermuteten Einsatzes nordkoreanischer Soldaten im Raum Kursk für die drei Parteien Nordkorea, Russland und NATO/Ukraine. Wenn man die Frage aus nordkoreanischer Sicht untersucht, so wäre der Nutzen für den fernöstlichen Bündnispartner der Russischen Föderation tatsächlich ganz erheblich. Denn die Stärke einer Armee wird nicht nur von der reinen Größe oder der Menge und Qualität der ihr zur Verfügung stehenden Waffen bestimmt, sondern ganz maßgeblich von ihrem Trainings- und Ausbildungsstand.
Der Ukraine-Krieg markiert in militärischer Hinsicht eine Zäsur, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Taktiken, Einsatzdoktrinen und Kampfverfahren haben sich ebenso fundamental geändert wie das Gefechtsfeld mit einem erheblichen Einsatz von Drohnen, elektronischer Kriegführung und präzisionsgesteuerten Artilleriesystemen. Armeen, die diese neuen Realitäten auf den Schlachtfeldern nicht adaptieren, könnten hypothetisch auch von einer wesentlich kleineren und zahlenmäßig schlechter ausgerüsteten Truppe geschlagen werden. Deshalb stellt ein großskaliertes Einsatztraining unter Feuer, bei dem die neuen Verfahren im Kampf erlernt und trainiert werden, für eine Armee einen Quantensprung in der Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten dar. Die rückkehrenden Soldaten könnten die im Ukraine-Krieg erworbenen Erfahrungen und Verfahren als Ausbilder in der heimatlichen Armee verbreiten.
Aus russischer Perspektive wäre die Waffenhilfe eine willkommene Unterstützung im Ukraine-Krieg. Allerdings hat Russland entgegen vielfältiger westlicher Spekulationen sowohl genügend Personal als auch Ausrüstungsgegenstände, um den Konflikt aus eigener Kraft für sich erfolgversprechend fortsetzen zu können. Für Russland würde statt dessen das nicht unerhebliche Risiko einer Ausweitung der am Kampf beteiligten Staaten, namentlich aus Ländern des NATO-Raumes, bestehen.
Aus ukrainischer Sicht hingegen wäre das der potentielle Nutzen aus dem Narrativ von 11.000 nordkoreanischen Soldaten in Kursk: Aus dieser Erzählung ergibt sich ein argumentativer Hebel für eine von ihr gewünschte Beteiligung von NATO-Soldaten an den Kampfhandlungen. Zuletzt hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij am Montag erklärt, mit seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron über den möglichen Einsatz westlicher »Kontingente« in der Ukraine gesprochen zu haben. Auch die koordinierten Maßnahmen zur Einstimmung der europäischen Bevölkerung auf einen Krieg gegen Russland würden von dem Nordkorea-Narrativ signifikant profitieren und einem möglichen Einsatz von NATO-Soldaten im Ukraine-Krieg einen wichtigen Impuls geben.
Abschließend lässt sich zur Zeit nicht mit Gewissheit sagen, ob tatsächlich nordkoreanische Soldaten die russische Militäroperation in Kursk unterstützen. Gut denkbar ist hingegen der Einsatz von verbündeten Söldnern, wie sie auch von westlichen Nationen in unbekannter Anzahl in die Ukraine entsandt werden.
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