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Aus: Ausgabe vom 16.01.2025, Seite 8 / Inland
Repression gegen Palästina-Bewegung

»Das Präsidium machte sich zum Handlanger des VS«

Hamburg: Verfahren gegen Studentin nach Konferenz wegen Vorwurf der »Terrorförderung«. Ein Gespräch mit Hailka Peters
Interview: Tim Krüger
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Tausende demonstrieren in Berlin gegen das Verbot der PKK (18.11.2023)

Hailka Peters (Name geändert) ist Mitarbeiterin des Allgemeinen ­Studierendenausschusses (AStA) der Universität Hamburg

Gegen Sie wird ermittelt, weil Sie im Rahmen einer wissenschaftlichen Konferenz im April 2023 eine »terroristische Vereinigung im Ausland« – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans, PKK – unterstützt haben sollen. Ende November 2024 hatten Sie eine Hausdurchsuchung. Was war damals passiert?

Am 21. November um sechs Uhr morgens klingelten zehn Polizeibeamte bei meiner WG Sturm. Mein Zimmer wurde verwüstet und elektronische Geräte wurden konfisziert, wodurch meine Studierfähigkeit erheblich eingeschränkt wurde. Der Paragraph 129 b StGB wird in Deutschland – ganz im Sinne der Regierung Erdoğans (türkischer Präsident, jW) – immer wieder genutzt, um die politische und kulturelle Betätigung von Kurdinnen und Kurden unter Generalverdacht zu stellen. Ich habe auf der Konferenz mit dem Titel »We Want Our World Back«, die wir als AStA zusammen mit dem »Network for an Alternative Quest« organisierten, eine Rede gehalten und nun wird mir »Terrorunterstützung« vorgeworfen. Auf Anraten meiner Anwältin werde ich mich, solange die Ermittlungen laufen, nicht zu den konkreten Vorwürfen äußern. Ich kann aber sagen, dass der Durchsuchungsbeschluss mit Zitaten aus einem anderen Konferenzbeitrag begründet wird, dem PKK-Propaganda attestiert wird. Auf meinen Beitrag wird sich gar nicht bezogen.

2023 hatte die Universitätsleitung nach einer Intervention des Inlandsgeheimdienstes kurzerhand die Räume verweigert.

Nachdem die ersten drei Konferenzen problemlos, völlig legal und unter reger internationaler Beteiligung auf dem Campus stattgefunden hatten, mischte sich der VS (Verfassungsschutz, jW) knapp sechs Jahre später ein. Laut Darstellung der Behörde soll auf den vergangenen Konferenzen Unterstützung für die PKK bekundet worden sein. Das Universitätspräsidium machte sich zum Handlanger des Inlandsgeheimdienstes, der versucht, die Solidarität mit der kurdischen Bewegung zu kriminalisieren. Besonders schockierend war, dass das Präsidium sämtliche Gesprächsangebote unsererseits bezüglich der konstruierten Vorwürfe ablehnte, weshalb wir in nur zwei Wochen einen neuen Raum für die über 1.000 Teilnehmenden finden mussten. Dass den Behörden nicht gelang, die Konferenz zu verhindern, ist ihnen wohl sauer aufgestoßen.

Tageszeitzung junge Welt heute mit Beilage »Auschwitz«

Warum entschieden Sie sich damals gegen eine Absage?

Als AStA standen wir von Beginn an hinter der Konferenz, auf der über drängende Fragen unserer Zeit diskutiert wurde. Nach der Repression durch den VS und die Unileitung ging es dann plötzlich noch um viel mehr, also nicht nur um die Verteidigung der Ideen der Konferenz, sondern auch um die Autonomie der Hochschule, um die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit. Dass der Inlandsgeheimdienst die Inhalte einer wissenschaftlichen Konferenz diktieren sollte, ist ein gefährlicher Präzedenzfall.

Was werden Sie gegen das Vorgehen der Behörden unternehmen?

Die Auseinandersetzung muss politisch geführt werden. Die Intervention des Inlandsgeheimdienstes und die Einleitung eines »Terrorverfahrens« für die Beteiligung an einer wissenschaftlichen Konferenz stehen in einer Reihe von Versuchen, gesellschaftskritisches Denken weitgehend aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Wir erleben bundesweit, wie fundamentale Rechte angegriffen werden.

Etwa wenn in Berlin geprüft wird, ob Akademikerinnen und Akademiker für das Unterzeichnen einer Erklärung gegen die Räumung der palästinasolidarischen Besetzung an der FU Forschungsgelder gestrichen werden können. Oder in Brandenburg, wo flächendeckende Regelanfragen beim Verfassungsschutz als Einstellungskriterium für Beamtinnen und Beamte eingeführt werden sollen. Das heißt für uns als Studierende konkret, uns stärker zu vernetzen und eigene kritische Veranstaltungen zu organisieren. Leider haben wir den Eindruck, dass die Tragweite insbesondere in der Hochschulöffentlichkeit noch nicht erkannt worden ist. Deshalb werden wir weiter versuchen, eine Debatte anzustoßen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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