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Aus: Ausgabe vom 16.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Ausgeräuchert

Tote Bergarbeiter in Südafrika
Von Christian Selz, Kapstadt
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Es sind verstörende Bilder, die dieser Tage aus dem südafrikanischen Ort Stilfontein kommen, Bilder von aufgestapelten Leichen und vollkommen ausgehungerten Menschen. Monatelang hatte die Polizei dort eine verlassene und nicht ordentlich geschlossene Goldmine abgeriegelt, in der Hunderte, vielleicht sogar Tausende unter widrigsten Bedingungen und illegal die letzten Krümel des Edelmetalls aus dem Boden holten. Die Regierung begleitete den Einsatz mit markigen Worten. »Wir werden sie ausräuchern«, kündigte Präsidialamtsministerin Khumbudzo Ntshavheni Mitte November mit Blick auf die Kumpel an und fügte hinzu: »Wir schicken keine Hilfe an Kriminelle.«

Es blieb nicht bei Worten. Die Polizei schnitt die Versorgung mit Lebensmitteln ab. Und obwohl die Kumpel es nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Schacht schaffen konnten, lief erst am Montag eine Rettungsaktion an. Inzwischen befördert ein Kran mit Seilwinde mehrmals täglich einen Korb mit Bergarbeitern zutage – entweder bereits tot oder kurz vorm Verhungern. Es sind die Spuren eines stillen Massakers, das die südafrikanische Regierung unter Tage angerichtet hat.

Doch von Scham oder Schuldgefühlen ist bei den Verantwortlichen noch immer rein gar nichts zu erkennen. Die Polizei legt in ihren Mitteilungen das Hauptaugenmerk nicht etwa auf die Frage, ob die Kumpel tot oder lebendig sind, sondern betont stets, dass die meisten der Festgenommenen ausländische Staatsbürger seien. Bergbauminister Gwede Mantashe, ein ehemaliger Bergarbeiter und Gewerkschafter, offenbarte den Umfang seines verbliebenen Anstands, indem er bei einem Ortsbesuch am Dienstag quasi auf Leichen stehend gegen »Kriminelle« wetterte, die er im »Krieg gegen Südafrikas Wirtschaft« sieht. Ein Apartheidminister hätte kaum unmenschlicher auftreten können.

Die Rhetorik soll ablenken: Davon, dass sein eigenes Ressort seit 2021 mit einem Gesetz in Verzug ist, das Bergbauunternehmen verpflichten soll, Schächte auf eigene Kosten sicher stillzulegen. Und davon, dass Südafrika entlassenen Bergarbeitern bei einer offiziellen Arbeitslosenquote von 41,9 Prozent keinerlei Perspektiven aufzeigt – von der Abschiebung ausländischer Wanderarbeiter abgesehen. Dass die Männer aus Lesotho und Mosambik während der Apartheidära gezielt angeworben wurden, weil sie billig auszubeuten waren und man sich ihrer leicht wieder entledigen konnte, verleitet die aus der Befreiungsbewegung hervorgegangene demokratische Regierung nicht etwa zum Auflegen zu Sozialprogrammen. Im Gegenteil: Sie vollendet das Werk ihrer rassistischen Vorgänger, kriminalisiert Ausweglosigkeit und lässt wissentlich wie willentlich sterben. Sie spuckt damit auf eine der größten Errungenschaften der demokratischen Ära in Südafrika: die Verfassung, die ein Recht auf menschenwürdiges Leben garantiert. Das Resultat ist ein Massengrab für schwarze Arbeiter.

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