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Aus: Ausgabe vom 17.01.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Algerien und Frankreich

Kurswechsel in Paris gegenüber Algerien

Warum sich Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron plötzlich an der früheren Kolonie abarbeitet
Von Sabine Kebir
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Händeschütteln in Algier: Eine Zeitlang schien eine Versöhnung möglich (25.8.2022)

Es ist nicht neu, dass in Schwierigkeiten geratene Regierungen Feindbilder herbeiphantasieren. Die Vertrauenskrise, in die sich Emmanuel Macron in seiner zweiten Präsidentschaft hineinmanövrierte, ist immer tiefer geworden. Er weigert sich beharrlich, einem Repräsentanten der linken Volksfront, die die letzten Parlamentswahlen gewann, die Regierungsbildung zu übertragen. Statt dessen ermächtigt er Kabinette seines eigenen, bei den Wahlen kläglich gescheiterten Lagers, das seine Politik schamlos dem rechten Rassemblement National von Marine le Pen anpasst, um künftig womöglich mit ihr zusammen zu regieren. Daher gab Macron die Afrikapolitik seiner ersten Amtszeit auf, in der er mit einer Charmeoffensive gegenüber den ehemaligen Kolonien noch vorhandenen Einfluss retten und ausbauen wollte.

Als erster Präsident erkannte Macron an, dass die französische Kolonialmacht in Algerien schwere Menschenrechtsverbrechen begangen hat. Zu den Abkommen, die er 2022 bei einem Besuch in Algier schloss, zählte auch die Ernennung von Historikerkommissionen in beiden Ländern, die die Kolonialgeschichte und den Unabhängigkeitskrieg mit dem Ziel gegenseitiger Annäherung aufarbeiten sollten. Während sich die Beziehungen zu Algerien intensivierten, kam es in den Sahelstaaten, die sich von französischen Militärmissionen Unterstützung zur Bekämpfung islamistischer bewaffneter Gruppen erhofften, zu keinen Fortschritten. In etlichen Staaten putschten sich Militärs an die Macht, die eine Befriedung nicht nur durch militärische Gewalt, sondern vor allem mittels nationaler Versöhnungspolitik erreichen wollen. Dass sich die französischen Truppen aus immer mehr Sahelstaaten zurückziehen mussten, trug wesentlich zu Macrons Schwächung bei.

Einen Ausweg sah er darin, sich der Außenpolitik der USA anzuschließen, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Marokko ihren engsten Verbündeten in Afrika haben. In einem Brief an König Mohammed VI. vom 30. Juni 2024 erkannte Macron die »Marokkanität« der Westsahara an und bekräftigte das am 29. Oktober vor dem Parlament in Rabat. Damit brüskierte er nicht nur Algerien, das das von der UNO immer wieder bekräftigte Recht auf Unabhängigkeit der Westsahara verteidigt, sondern sogar die EU, die sich offenbar in dieser Frage weder mit der UNO noch mit der Afrikanischen Union anlegen will. Denn am 4. Oktober 2024 hat der Europäische Gerichtshof endgültig alle Verträge über Fischereirechte und Lebensmittelimporte annulliert, »die ohne Zustimmung des Volkes der Westsahara« geschlossen wurden.

Obwohl es seit Algeriens Unabhängigkeit immer wieder Phasen gab, in denen man aufeinander zuging, ist es leicht, in Frankreich antialgerische Leidenschaften zu wecken. Viele ehemalige Militärs haben die 1962 erlittene Niederlage nicht verarbeitet. Hinzu kommt ein durch soziale Probleme angefachter Alltagsrassismus, in dem alte koloniale Vorurteile weiterleben.

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