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Aus: Ausgabe vom 17.01.2025, Seite 4 / Inland
Baku-Connection

»Freunde Aserbaidschans« vor Gericht

München: Korruptionsprozess gegen CDU/CSU-Politiker beginnt. Sie sollen Geld aus Baku erhalten und verteilt haben
Von Philip Tassev
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Der angeklagte CDU-Politiker Axel Fischer (M.) mit seinen Anwälten (München, 16.1.2025)

Vor dem Oberlandesgericht München müssen sich seit Donnerstag zwei Exbundestagsabgeordnete der Union wegen Korruption verantworten. Axel Fischer, ehemaliger CDU-Parlamentarier aus Karlsruhe, wird beschuldigt, Propaganda im Sinne des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew betrieben und vertrauliche Dokumente an Baku weitergeleitet zu haben. Dafür soll er von dort mehrere Zehntausende Euro kassiert haben – von 2011 bis 2014 insgesamt 58.000 Euro, von 2015 bis 2016 nochmals 26.300 Euro.

Dem ehemaligen CSU-Abgeordneten Eduard Lintner wird vorgeworfen, bis 2016 sogar mehrere Millionen Euro bekommen zu haben, die er an weitere europäische Politiker verteilt habe. Die sollen als »Freunde Aserbaidschans« wiederum bei Entscheidungen die Interessen der Alijew-Regierung vertreten haben. Darunter befand sich auch Lintners Fraktionskollegin Karin Strenz. Die CDU-Politikerin war mehrfach offizielle Wahlbeobachterin in Aserbaidschan und bescheinigte als solche freie und faire Wahlen. Die Ermittlungen gegen sie wurden eingestellt, nachdem Strenz im März 2021 auf einem Flug von Kuba nach Irland überraschend verstorben war. Als Todesursache wurden »Herzprobleme« genannt.

Die Geschichte aserbaidschanischer Beeinflussung von europäischen Politikern reicht über zwanzig Jahre zurück. Seit dem Beitritt Aserbaidschans zum Europarat 2001 soll das Regime in Baku systematisch Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates bestochen haben. Die Denkfabrik »Europäische Stabilitätsinitiative« prägte dafür 2012 den Begriff »Kaviardiplomatie«, weil Abgeordnete unter anderem mit mehreren Kilos des schwarzen Goldes beschenkt wurden, um ein positives Bild der kaukasischen Diktatur in die europäische Öffentlichkeit zu transportieren und Kritik an Menschenrechtsverletzungen in dem an Erdöl und -gas reichen Land zu verhindern.

Eine größere Debatte um aserbaidschanische Schmiergelder begann erst 2013, als ein vom SPD-Abgeordneten Christoph Strässer der Parlamentarischen Versammlung vorgelegter Bericht über politische Gefangene in Aserbaidschan mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. »Diese Entscheidung ist erkauft worden«, zeigte sich Strässer gegenüber dem SWR überzeugt. Der Sender hatte im März vergangenen Jahres eine Dokumentation über die »Aserbaidschan-Affäre« ausgestrahlt.

Eine zentrale Figur des Lobbyistennetzwerks soll der italienische Politiker Luca Volontè gewesen sein, der bis 2013 der konservativen EVP-Fraktion in der Parlamentarischen Versammlung vorsaß. Volontè hatte zwischen 2012 und 2014 über ein Geflecht von Briefkastenfirmen rund 2,4 Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten. Er wurde dafür 2020 zu vier Jahren Haft verurteilt, später allerdings von einem Berufungsgericht wieder freigesprochen.

Volontès Nachfolger als Vorsitzender der EVP-Fraktion wurde Axel Fischer. Dem aserbaidschanischen Präsidenten Alijew gratulierte er 2013 zum Sieg in einer nach Fischers Ansicht »freien, fairen und transparenten Wahl«, die Wahlbeobachter der OSZE allerdings als in höchstem Maße gefälscht bezeichneten. Auch in den Jahren danach lobbyierte der CDU-Politiker weiter für Alijew. So forderte er 2019 mit Parteikollegen in einem Brief an den damaligen Außenminister Heiko Maas (SPD), sich im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Region Bergkarabach gegen Jerewan zu positionieren.

Im März 2021 hob der Bundestag schließlich Fischers Abgeordnetenimmunität auf und genehmigte die polizeiliche Durchsuchung seines Bundestagsbüros, nachdem die Münchner Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Bestechlichkeit eingeleitet hatte. Beide Angeklagte weisen die Beschuldigungen zurück.

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