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Aus: Ausgabe vom 17.01.2025, Seite 5 / Inland
Landwirtschaftspolitik

Tierwohl und Artenschutz

Verbändebündnis stellt »kritischen Agrarbericht 2025« vor – und fordert etwa faire Erzeugerpreise
Von Oliver Rast
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Sind in ihrer Existenz hierzulande vielerorts gefährdet: Rare Arten wie schmucke Echsen (Schwerin, 26.9.2024)

Da ist er, pünktlich und passend zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche an diesem Freitag: der kritische Agrarbericht 2025. Nun schon zum 33. Mal, seit 1993. Ein Textprodukt mit Volumen, 19 der insgesamt 48 Beiträge widmen sich dem diesmaligen Themenschwerpunkt, dem Spannungsfeld zwischen »Wertschöpfung und Wertschätzung«, wie das herausgebende Agrarbündnis am Donnerstag bei der Berichtsvorstellung in Berlin mitteilte.

Wer ist da so bündnisfähig und schreibfreudig? Herausgeber und Bündnismitglieder sind unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Deutsche Tierschutzbund und die Ökofirmenkette Bioland. Sinn und Zweck des agrarpolitischen Wurfs erklärt Frieder Thomas: »Ein faires Einkommen für die Lebensmittelproduktion muss stärker durch die Gestaltung der Agrarmärkte erfolgen«, wurde der Bündnisgeschäftsführer in der Mitteilung zitiert. Das bedeutet? Es brauche verbindliche Lieferverträge mit konkreten Angaben über Preis, Menge, Qualität und Laufzeit des Vertrages. Und zwar kombiniert »mit einem Verbot des Einkaufs und Verkaufs unter Produktionskosten«, betonte Thomas.

Mehr noch, die europäische Agrarförderung müsse die Finanzmittel für Gemeinwohlleistungen der landwirtschaftlichen Betriebe verwenden, also für jene, für die es »keinen realen Markt« gebe. Etwa Klimaschutz, Tierwohl oder Artenschutz. Eine Transformation des Agrarsektors, die kostet. Milliarden Euro. Bloß, wie bezahlen? Mittels gezielten Einsatzes der Mehrwertsteuer beispielsweise zur Finanzierung des Umbaus in eine flächendeckende, artgerechte Tierhaltung. Der Präsident des Tierschutzbundes, Thomas Schröder, fordert dabei, dass ein Staatsziel Tierschutz, jedwedes behördliches Handeln (Gesetzgebung, vollziehende Gewalt) verpflichten müsse, »den Schutz der Tiere zur Grundlage zu haben und nicht – wie bisher – ausschließlich die Nutzung der Tiere«, verlangt Schröder.

Schnitt, Existenznot. Ist das Ende des Höfesterbens in Sicht? Mitnichten, weiß Xenia Brand, Geschäftsführerin der AbL. Denn zahlreiche Bäuerinnen und Bauern »können nach wie vor ihre Kosten nicht decken«. Fairere Erzeugerpreise seien ein Versprechen der EU-Kommission nach den überregionalen Protesten gewesen. Diesbezügliche Vorschläge, die aktuell auf den Tischen in Brüssel lägen, seien begrüßenswert, so Brand weiter. Besonders dass alle EU-Mitgliedstaaten »verpflichtende Verträge zwischen Erzeugern und abnehmender Hand einführen sollen, um zu mehr Augenhöhe bei den Verhandlungen zu kommen«.

Olaf Bandt erwartet zuvorderst den Schutz von Ökosystemen und Artenvielfalt. Sie stünden weiter unter Druck, so der Vorsitzende des BUND. Ferner: »Ihr Schutz darf aber nicht ausgespielt werden gegen das Einkommen der Betriebe und auch nicht unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus verwässert werden.« Und klar, die Land- und Lebensmittelwirtschaft solle frei von Gentechnik sein. Eine Perspektive, die durch Deregulierungspläne im EU-Gentechnikrecht bedroht sei. Kennzeichnung, Wahlfreiheit sowie Risikoprüfung und Zulassungsverfahren müssen auch bei neuen gentechnischen Verfahren erhalten bleiben, so Bandt.

Was bleibt? Es bleiben vor allem Fragen. Denn fraglich ist, ob sich die vielbeschworene »sozial-ökologische Agrarwende« durchsetzen lässt. Gegen die Agrarmultis, gegen die EU-Bürokratie, gegen die Konzernlobby in den Parlamenten. Eins hingegen steht fest: Auch Anfang kommenden Jahres wird das »Agrarbündnis« seinen Jahresbericht präsentieren.

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