Keine Atempause für Gaza
Von Von Jakob ReimannIn den Stunden nach der Ankündigung einer Waffenruhe, die den seit 15 Monaten wütenden Krieg in Gaza unterbrechen und einen Austausch von Geiseln ermöglichen soll, hat das israelische Militär mehrere Orte im Gazastreifen bombardiert und mindestens 70 Menschen getötet, wie die Agentur Reuters berichtete. Mehr als 200 weitere Personen wurden demnach verletzt. Laut Al-Dschasira beläuft sich die Zahl der in den nächtlichen Angriffen getöteten Menschen gar auf mindestens 82 Menschen, mindestens 30 davon allein in Gaza-Stadt. Weitere Personen wurden bei einem Drohnenangriff auf eine Menschenansammlung im Flüchtlingslager Bureidsch getötet.
Nach dem Bekanntwerden des Verhandlungserfolgs »herrschte unter den Einwohnern eine Atmosphäre der Freude und Erleichterung«, sagte Al-Dschasira-Reporter Anas Al-Scharif. Doch »unmittelbar« danach hätten israelische Kampfflugzeuge diese Freude »ausgelöscht, indem sie Krankenhäuser, Unterkünfte und Wohnhäuser« bombardierten, so Scharif weiter. Die am Mittwoch abend verkündete Waffenruhe soll am Sonntag in Kraft treten, doch befürchten die Menschen in Gaza in den kommenden Tagen verstärkte Angriffe.
Unterdessen erinnerte der deutsche Ableger von Amnesty International am Dienstag an das Schicksal des palästinensischen Arztes Hussam Abu Safija, der am 27. Dezember neben weiteren Krankenhausangestellten und Patienten vom israelischen Militär aus dem Kamal-Adwan-Krankenhaus in Beit Lahija entführt worden war. Das Foto des Arztes, der in einer ausgebombten Trümmerlandschaft auf einen israelischen Panzer zuläuft, ging als Symbol um die Welt. »Durch die Razzia wurde das Krankenhaus, die letzte größere funktionierende medizinische Einrichtung im Gouvernement Nordgaza, außer Betrieb gesetzt«, heißt es in einer Erklärung der Menschenrechtsorganisation, in der gefordert wird, dass Abu Safija »unverzüglich« freigelassen werden soll.
Israels Armee beschuldigt Abu Safija, Mitglied der Hamas zu sein – unter seiner Führung soll die Adwan-Klinik als Basis für militärische Operationen genutzt worden sein. Kollegen weisen diese Vorwürfe kategorisch zurück und betonen, dass Abu Safija ein Arzt ohne Zugehörigkeit zu irgendeiner Organisation sei, der für seine Menschlichkeit bekannt sei. Israel hat nie einen Beweis für seine schweren Anschuldigungen vorgelegt. Das israelische Militär habe hingegen das in der Nähe des Adwan-Krankenhauses befindliche Indonesische Krankenhaus in »eine Militärbasis« verwandelt, erklärte Sarbini Murad, der Vorsitzende der Organisation, die die Einrichtung finanziert hatte, gegenüber Arab News. Satellitenbilder zeigten mehrere israelische Panzerfahrzeuge auf dem Krankenhausgelände.
Zwei ehemalige palästinensische Häftlinge berichteten vergangene Woche gegenüber CNN, dass sie den entführten Arzt Abu Safija im israelischen Gefangenenlager Sde Teiman in der Negevwüste gesehen hätten. Er sei »in schlechter körperlicher und geistiger Verfassung«. Zu Beginn sei der Arzt nicht in der Lage gewesen zu sprechen. Abu Safija habe berichtet, er sei vom Militär »gedemütigt und misshandelt« worden. Die israelische Armee habe das Krankenhaus gestürmt, fünf Angestellte getötet und das Gebäude »vor den Augen des Arztes niedergebrannt«. Laut einem Anwalt der Menschenrechtsorganisation »Ärzte für Menschenrechte Israel« sei Abu Safija vergangene Woche ohne Wissen oder Anwesenheit eines Anwalts vor ein Gericht in Aschkelon gebracht worden, wo die israelischen Behörden seine Willkürhaft bis zum 13. Februar verlängert hätten.
Immer wieder wurden schwere Vorwürfe über Folter an Gefangenen der Haftanstalt Sde Teiman laut, in der auch Abu Safija einsitzt. Es gibt Berichte über sexuelle Gewalt und Massenvergewaltigungen. Eine CNN-Untersuchung hatte darüber hinaus von Fällen berichtet, in denen israelische Ärzte entführten Palästinensern Gliedmaßen amputiert hätten, weil diese durch ständiges und zu festes Anlegen von Handschellen schwer verletzt worden waren. Die Luft in Sde Teiman sei erfüllt vom Gestank »vernachlässigter Wunden, die man verrotten ließ«.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 02.01.2025
Todesfalle Gaza
- 30.12.2024
Alles »Terroristen«
- 30.11.2024
Kein Brot mehr in Gaza
Mehr aus: Ausland
-
»Kein Mensch darf hingerichtet werden«
vom 17.01.2025 -
An den Rand gedrängt
vom 17.01.2025 -
Wettlauf nach Kiew
vom 17.01.2025 -
Morales unter Verdacht
vom 17.01.2025 -
Yoon hinter Gittern
vom 17.01.2025 -
US-Kongress gegen Strafgerichtshof
vom 17.01.2025