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Aus: Ausgabe vom 17.01.2025, Seite 8 / Inland
Ausstieg aus Solidarität

»Es hätte eine klare Signalwirkung«

Leipzig: AfD und CDU für Ausstieg aus Bündnis »Städte sicherer Häfen«. »Seebrücke«-Bewegung protestiert. Ein Gespräch mit Jonas S.
Interview: Yaro Allisat, Leipzig
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Anhänger der Bündnisse »Seebrücke« und »Unteilbar« demonstrieren in Leipzig für Solidarität mit Geflüchteten und gegen Ausgrenzung von Schutzsuchenden (6.7.2019)

Sie haben der Leipziger Sozialbürgermeisterin Martina Münch, SPD, am Mittwoch eine Petition gegen Anträge von AfD und CDU im Stadtrat überreicht. Worum ging es den beiden Parteien?

Im Stadtrat sollten am selben Tag ursprünglich die beiden Anträge abgestimmt werden, die den Austritt Leipzigs aus dem Bündnis »Städte sicherer Häfen« fordern. Um dies zu verhindern, haben wir in den vergangenen Wochen mehrere Kundgebungen organisiert und mehr als 15.000 Unterschriften von Menschen gesammelt, die sich für den Verbleib der Stadt in dem Bündnis aussprechen. Nun hat die AfD den Antrag kurzfristig zurückgezogen, so dass die Abstimmung voraussichtlich im Februar stattfinden wird.

Was stand in dem Antrag?

Der ursprüngliche war sehr kurz, lediglich ein Statement, dass Leipzig aus dem Bündnis »Städte sicherer Häfen« austritt, weil man illegale Migration verhindern müsse. Die CDU hat einen Änderungsantrag verfasst, der deutlich konkreter und zum Teil auch verschärfter ist. Unter anderem fordert dieser das Verbot von Spendenaufrufen der Stadt für Seenotrettungsorganisationen, ein Ende der Kooperation im Rahmen der »Solidarity Cities« und eine strikte Obergrenze für Aufnahmen nach dem Königsteiner Schlüssel (Regel zur Verteilung auf die Bundesländer nach Bevölkerungszahl und Steueraufkommen, jW).

Was bedeutet es, wenn sich eine Stadt zur Idee des »sicheren Hafens« bekennt?

Die Aktion dazu wurde 2018 von der »Seebrücke« als Reaktion auf die verschärfte Abschottungspolitik initiiert, die viele Kommunen nicht mittragen wollten. Schon 2015 hatte sich gezeigt, dass auf kommunaler Ebene viel Bereitschaft zur Solidarität mit Geflüchteten da ist. Deshalb gibt es acht Forderungen, denen sich Städte anschließen können, wenn sie dem Bündnis beitreten. Dazu gehört zum Beispiel, sich auf kommunaler, überregionaler und internationaler Ebene für humane Ankommensbedingungen einzusetzen, Seenotrettung zu unterstützen und eben die Bereitschaft, mehr Geflüchtete als zugeteilt aufzunehmen.

Seit 2022 gehörte Leipzig dem Bündnis an. Welche Maßnahmen hat die Stadt seitdem ergriffen?

Von den acht Forderungen der »Städte sicherer Häfen« hat Leipzig drei bis vier umgesetzt: das ideelle Bekenntnis zu den »sicheren Häfen« und die Übernahme einer ideellen Patenschaft für das Seenotrettungsschiff »Rise ­Above« von der Organisation Mission Lifeline. Zudem sicherte die Stadt zu, 100 Geflüchtete mehr aufzunehmen, als ihr nach dem Königsteiner Schlüssel zugeteilt wurden. Die »Rise Above« gibt es mittlerweile nicht mehr. Und Leipzig nahm in den vergangenen Jahren nur drei bis vier Menschen über dem Sollkontingent hinaus auf. Letzteres hängt auch mit bundes- und landespolitischen Komplikationen zusammen.

Wie war zuletzt das Verhältnis zwischen Ihrer Organisation und der Stadt?

Zwischendurch hatten wir als »Seebrücke« einen guten Kontakt mit der Stadtverwaltung. Dieser ist jedoch eingeschlafen. Wir als Gruppen hatten nicht mehr die Kapazitäten, die Maßnahmen von der Stadt einzufordern. Die Stadt ist aber auch von sich aus nicht weiter aktiv geworden.

Angesichts von Asylrechtsverschärfungen und erschreckenden Berichten aus Geflüchtetenunterkünften in Sachsen ist das Bekenntnis zu »sicheren Häfen« tatsächlich vor allem ein ideelles. Welche politische Bedeutung hätte trotz allem seine Abschaffung?

Es hätte eine klare Signalwirkung, dass sich von einer Politik der Solidarität und dem Schutz von Menschenleben abgewandt wird und immer weiter auf Abschottung gesetzt wird; und dass die CDU hierfür gerne mit der AfD kooperiert. Zudem könnte sich hier eine Tendenz über die Städte hinaus zeigen: In Cottbus wurde der »sichere Hafen« im Oktober 2023 auf Antrag von CDU und AfD abgeschafft, Dresden folgte im März 2024. Auch die Strategie des Aufschubs von Anträgen, um Ressourcen zu binden, ist bekannt. Es zeichnet sich also ab, dass CDU und AfD diese gemeinsame Strategie in mehreren Städten verfolgen.

Jonas S. ist in Leipzig aktiv in der Bewegung »Seebrücke. Schafft sichere Häfen«

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