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Aus: Ausgabe vom 17.01.2025, Seite 15 / Feminismus
Nachruf

Ein bewegtes Leben

Für Frauenrecht, Frieden und Sozialismus: Zum Tod von Marianne Konze
Von Florence Hervé
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Immer in Aktion: Marianne Konze mit jungen Mitstreiterinnen und klaren Forderungen

Sie starb am 16. Dezember. Eine Freundin und ich hatten sie zehn Tage zuvor in ihrer kleinen Wohnung in Gelsenkirchen-Buer besucht. Von dort aus konnte Marianne Konze die Kohlehalde Rungenberg sehen, sie war mit der Bergarbeiterstadt Gelsenkirchen eng verbunden.

Bei unseren Besuchen ging es oft um Erinnerungen an die Frauen- und Friedenskämpfe der 1970er und 1980er Jahre und um die heutigen düsteren kriegerischen Zeiten. Trotz aller Rückschläge war Marianne Konze kämpferisch und zuversichtlich und plante, ihren 96. Geburtstag im Februar zu feiern.

Kennengelernt hatte ich sie Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. Da war ich Studentin in Bonn, mit zwei kleinen Kindern, engagiert in der sogenannten zweiten Frauenbewegung. Marianne verfolgte unsere Aktivitäten mit Interesse, darunter unser Protest gegen den frauenfeindlichen Paragraphen 218, und versuchte diesbezüglich die Kräfte zu bündeln. Sie war inzwischen verantwortlich für Frauenpolitik bei der neu konstituierten Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), erarbeitete das erste Frauenprogramm einer Partei in der BRD (1975) und gab das Buch »Für die Befreiung der Frau« (1972, zweite Auflage 1975) heraus.

Sie mischte sich auch in die feministischen Auseinandersetzungen ein. Unsere Zusammenarbeit war geprägt von den Aktionen und Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag und zum Internationalen Jahr der Frau vor 50 Jahren, für gleiche Löhne, für das Selbstbestimmungsrecht der Frau, gegen die Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr, für Abrüstung, zu den Frauenfriedensmärschen und der internationalen Solidarität mit Angela Davis und Vietnams Frauen, gegen die Apartheid in Südafrika. Internationale Solidarität war ihre Herzenssache.

Wichtig war ihr ebenfalls – dies war nicht einfach –, Männer aus der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung für den Kampf um Frauenrechte zu gewinnen. Für sie stand fest: Wer die Menschheit von Unterdrückung und Ausbeutung befreien will, kann die Hälfte der Menschheit nicht ausschließen. Aber auch der Blick nach innen fehlte nicht: »Gemeinsamer Kampf war und bleibt ständige Erziehungsarbeit in jeder Gemeinschaft, auch in einer kommunistischen Partei.«

Marianne Konze wuchs in einer Arbeiterfamilie in Thüringen auf. Sie erlebte früh die Brutalität des Faschismus und des Krieges. Ihr Vater, ein Kommunist, wurde wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« verhaftet, 1943 als Politischer ins berüchtigte Strafbataillon 999 gesteckt. Mit 14 Jahren verweigerte sie den Hitlergruß. Im Februar 1945, an Mariannes 16. Geburtstag, fielen Phosphorbomben auf Dresden. Marianne sah, wie die Menschen brennend in die Elbe sprangen. Mit 17 Jahren trat sie der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei.

Nach der Befreiung von Faschismus und Krieg machte sie eine Ausbildung in einer Konsumschule bei Weimar. Sie heiratete den westdeutschen Kokereiarbeiter und Gewerkschafter Robert Konze und folgte ihm ins Ruhrgebiet. Als er von einem ehemaligen Nazirichter wegen illegaler FDJ-Arbeit zu 16 Monaten Haft verurteilt und verhaftet wird, ist Marianne gerade schwanger mit ihrer Tochter Sonja. 1957 kommt die politische Polizei, um auch Marianne abzuholen. Denn sie hatte sich im Demokratischen Frauenbund Deutschland, der 1957 verboten wurde, und in der westdeutschen Frauenfriedensbewegung engagiert.

Mit 75 Jahren wird sie für die PDS, später für die Partei Die Linke in die Bezirksvertretung Gelsenkirchen-Nord gewählt, bis 2009, da ist die 80jährige Alterspräsidentin. Bis zuletzt aktiv im Kampf gegen alte und neue Nazis, für Frieden und Frauenrechte.

Marianne war eine Frau der Tat. Eine aufrechte Frau mit Herz und Verstand, für die Solidarität kein leeres Wort war.

Die Autorin veröffentlichte 2022 einen Videopodcast: »Marianne Konze – Frauenrechtlerin, Friedensaktivistin, Kommunistin. Ein bewegtes Leben für die Sache der Frauen und des Friedens«.
kurzlinks.de/Konze

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