»Sie trägt neoliberale Politik mit«
Interview: Gitta DüperthalSie sind aus der Linkspartei ausgetreten und werfen der Frankfurter Stadtfraktion vor, »keine Alternativen zu den politischen Entscheidungen von SPD und Grünen aufzuzeigen – selbst dann, wenn es den Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler schade«. Was meinen Sie damit?
Die Linke sollte sich darauf konzentrieren, ihr Wahlprogramm umzusetzen. Der Wille, unbedingt mitregieren zu wollen, statt als Opposition zu wirken, wirkt als Störfaktor. In der Frankfurter Regierungskoalition von Grünen, SPD, FDP und Volt kritisiert sie stets nur die FDP, offenbar mit der Absicht, sie ersetzen zu wollen. Sie trägt neoliberale Politik von SPD und Grünen mit. Das ist nicht im Interesse linker Wählerinnen und Wähler.
Die Linke-Fraktion sieht sich als »soziale Opposition«. Sie fordert, »die horrenden Gewinne der Konzerne in Frankfurt, allen voran der Finanzindustrie, gerechter zu besteuern« und die Gewerbesteuer anzuheben. In der Wohnungspolitik weise sie auf fehlenden bezahlbaren Wohnraum hin.
Eine handlungsfähige Linke muss Missstände aktiv bekämpfen: sich gegen fehlende Reparaturen maroder Brücken, gegen Mangel an Kitaplätzen, verwahrloste Schulen positionieren. Sie muss zunehmende Armut der Frankfurter Bevölkerung aufgrund sozialer Ungerechtigkeit anprangern, Politik für ihre Wählerinnen und Wähler machen. Die Fraktion hat meine Kritik an all dem nicht mitgetragen, teils gar verhindert.
Die Linke dementiert das: Mit Veranstaltungen, Presserklärungen und Reden hätte sie über Jahre sehr gute Wohnungspolitik für Mieter in Frankfurt gemacht.
Eine linke Partei muss als Team mit Kampagnen auf unsoziale Wohnungspolitik reagieren. Sie darf nicht schweigen, wenn öffentliche Wohnungsbaugesellschaften wie NHW und ABG Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser zu vergünstigten Preisen bauen und verkaufen. Bei der AGB sitzt Oberbürgermeister Mike Josef im Aufsichtsrat, bei NHW ist Marcus Gwechenberger Planungsdezernent, beide SPD. Eine kritische Kurzfilmserie in sozialen Medien dazu zu machen war nicht möglich!
Durch das Fördern milliardenschwerer Prestigeprojekte wie der geplanten Multifunktionshalle oder dem neuen Schauspielhaus verschärfe die Linkspartei ökonomische und ökologische Probleme, so Ihre Kritik. Die Linke kontert: Letzteres sei abgestimmt mit über 1.000 Beschäftigten und dem Betriebsrat, wegen der Arbeitsbedingungen, die der alte Bau mit sich bringe. Sie bestehe auf Finanzierungsbeteiligung von Bund und Land.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz, BUND, in Frankfurt warnt vor dem Bau der Multifunktionshalle: Trinkwasser ist gefährdet, Teile des Stadtwaldes könnten gerodet werden, die Verkehrslage droht zu kollabieren. Unklar ist die Finanzierung. Die Stadt belastet mit Grundsteuererhöhungen vor allem einkommensschwache Menschen. Bei den neuen Theaterbühnen fragt man sich: Warum zahlt die Stadt 210 Millionen Euro Pacht für ein Grundstück und 3,75 Millionen für den Abriss der Immobilie dort, statt vor Ort neu zu bauen? Die größte Sorge der Bevölkerung ist Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Zudem müssen wir in Bildung und Schulbau investieren: Das ist linke Politik.
Den Frankfurter Fernbahntunnel und den Lückenschluss der U4 verteidigt Die Linke als »wichtige Verkehrsprojekte für den Ausbau von Bus und Bahn«.
Es ist peinlich, dass die Linke von »Stuttgart 21« nicht gelernt hat. Statt Schienen zu reparieren oder Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel im Umfeld zu schaffen, nun der Fernbahntunnel: ein Angriff auf Ökologie und Ökonomie! Anders als oberirdischer Verkehr ist der Tunnelausbau der U4 kostenintensiv: Wie viele Kinder könnten wir mit Mittagessen versorgen!
Hätten Sie das nicht parteiintern diskutieren können, statt jetzt im Bundeswahlkampf auszutreten?
Ich möchte nicht ständig gegen die anbiedernde Politik der eigenen Partei ankämpfen.
Die Linke fordert von Ihnen die Rückgabe des Mandats als Stadtverordneter an die Partei.
Bürgerinnen und Bürger haben mich gewählt. Ich will sie nicht enttäuschen und werde parteiunabhängig weitermachen.
Eyup Yilmaz ist Stadtverordneter. Er war jahrelang planungs- und wohnungspolitischer Sprecher der Linken im Frankfurter Römer, 19 Jahre Parteimitglied, zwölf Jahre im Landesvorstand Hessen
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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