Sturm auf die Gerichte
Von Martin Weiser, Seoul
Dutzende Anhänger Yoon Suk Yeols haben am Montag morgen das Seouler Bezirksgericht gestürmt. Minuten zuvor hatten die Richter den Haftbefehl gegen den abgesetzten südkoreanischen Präsidenten bestätigt. Von einigen der Angreifer selbst aufgenommene und anscheinend live gestreamte Videos zeigten absurde Szenen im Gebäude, in dem alles kurz und klein geschlagen wurde. Die Server des Gerichts wurden mit Wasser übergossen, vermutlich um die digitale Kopie des Haftbefehls zu zerstören. Ein bewaffneter Mob suchte erfolglos im Gebäude die für den Haftbefehl verantwortliche Richterin Cha Eun Gyeong. Die Richterin und 24 andere Mitarbeiter hatten sich da schon auf dem Dach verschanzt.
Während die Polizei sonst für gewöhnlich nächtliche Demonstrationen untersagt, hatte man die Yoon-Anhänger gewähren lassen. Bei anschließenden gewaltsamen Zusammenstößen wurden laut Sanitätern 40 Personen verletzt, die Polizei selbst sprach von 51 verletzten Beamten. Neunzig Personen seien festgenommen worden. Die Demonstranten hatten bereits den ganzen Tag vor dem Gericht einen angeblichen Wahlbetrug bei den Parlamentswahlen im April 2024 und eine Unterwanderung des Staates durch die Kommunistische Partei Chinas angeprangert. Viele schwenkten US-Fahnen, der Slogan »Stop the Steal«, als Protestmotto gegen die angeblich geklaute Wahl, war prominent vertreten. Auch Yoon und seine Anwälte machten sich diese Anschuldigungen vor Gericht zu eigen.
Südkoreanische Medien berichteten in den vergangenen drei Tagen über Angriffe auf Journalisten. Im ganzen Land fordern Yoon-Anhänger in aggressiver Manier unbeteiligte Passanten oder Journalisten dazu auf, sich auszuweisen, weil sie chinesische Staatsbürger vermuten. Auf Social-Media-Plattformen kursiert die Behauptung, der Angriff auf das Gericht sei eine »False Flag«-Aktion gewesen, inszeniert von Gegnern Yoons, um dessen Anhänger zu diskreditieren.
Die Partei des Präsidenten, die People Power Party, sieht derweil bei der Polizei mindestens die gleiche Schuld wie bei den Demonstranten. Die Reaktion der Polizei sei zu aggressiv gewesen, sagte der Fraktionsvorsitzende Kwon Seong Dong und meinte damit offenbar eher harmlose Auseinandersetzungen. Dabei waren schon am Sonnabend mehrere Männer über die Mauer des Gerichtsgeländes geklettert und hatten Autos der Sonderstaatsanwaltschaft blockiert.
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