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Aus: Ausgabe vom 21.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Ergebnis stimmt

NATO-Mission in der Ostsee
Von Arnold Schölzel
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Bundeskanzler Olaf Scholz (2. v. r.) und Kollegen auf dem Ostseegipfel der NATO (Helsinki, 14.1.2025)

Eine Überraschung ist es nicht, was die Washington Post am Sonntag zu den Kabelschäden in der Ostsee berichtete: Ermittlungen der USA und eines halben Dutzends europäischer Sicherheitsdienste lieferten bislang keine Hinweise, dass Handelsschiffe die Zerstörungen »absichtlich oder auf Anweisung Moskaus« herbeigeführt hätten. Die geheimen Informationen deuteten auf Unfälle.

Das ist eine Kapitulation der Dienste, mindestens Arbeitsverweigerung. Ihre politischen Chefs, vor allem die deutschen, kannten das Ergebnis schließlich vor ihnen. Boris Pistorius im November über ein chinesisches Schiff: »Sabotage«, »niemand« glaube an ein Versehen. Annalena Baerbock kurz nach dem Festsetzen eines Tankers durch Finnland am 28. Dezember: »ein dringender Weckruf« angesichts »hybrider Gefahren« aus Russland. Geweckt wurde der Kanzler, der am 14. Januar zwischen zwei Wahlkampfauftritten nach Helsinki flog, um zusammen mit den besonders wachsamen, also hysterisch russophoben Skandinaviern und Balten eine neue NATO-Mission in der östlichen Ostsee zu starten. Er wähnte »hybride Attacken«, es sei »sehr offensichtlich«, wer sie verursache. Soviel Klarheit war selten, selten auch das Beweisvakuum.

Oder doch nicht? Da war doch Sir Richard Moore, Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6. Der hatte am 29. November in einer Rede in Paris Grusel verbreitet: »Wir haben kürzlich einen atemberaubend rücksichtslosen Feldzug russischer Sabotage aufgedeckt.« Wenn ein James-Bond-Verschnitt das sagt, benötigt die NATO keine Fakten mehr, sondern weiß: Das Ungeheuer von Loch Ness paddelt jetzt in der Ostsee und ist russisch. Flugs war eine neue NATO-Flotte unterwegs, erhielt sekundenschnell den Namen »Baltic Sentry« – und einen »starken Beitrag« (Pistorius) der Deutschen. Die vorgesehenen Kriegsschiffe, U-Boote, Flugzeuge, Satelliten und Drohnen, über deren Zahl die NATO hartnäckig schweigt, werden vom NATO-Kommando in Rostock geführt und organisiert. Bei dessen Einweihung im Oktober 2024 hatte Pistorius Bescheid gegeben, es sei kein NATO-Kommando. Es lässt sich auch sagen: Das Ergebnis, die nächste Eskalation in der Ostsee gegen Russland, stimmt – aus NATO-Sicht –, sonst nichts. Die Flotte musste her, weil vor allem deutsche Generäle und Politiker ausgerechnet haben, dass der Russe 2029 angreift. Tatsachen stören da nur.

USA und Großbritannien, das seit 2018 an der Spitze eines Zehn-Staaten-Bundes Jagd auf russische Schiffe in Nord- und Ostsee machte, sind nicht bei »Baltic Sentry« dabei. Da wirkt offenbar Trump: Macht eure Kriege alleine. »Baltic Sentry« könnte der Musterfall deutscher »Führung« werden. Die Antwort auf die Frage, warum einige Dienste per Washington Post reingrätschen – is blowing in the wind. Denn: FAZ-Schlagzeile am Montag – »NATO ringt um weit höhere Ausgaben.« Das wird stimmen.

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