Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Sa. / So., 22. / 23. Februar 2025, Nr. 45
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 21.01.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Armut und Reichtum

Reichtum hier, Hunger dort

»Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich«: Oxfam-Bericht zu wachsender Zahl an Milliardären. Dominanz des globalen Nordens setzt sich fort
Von Gudrun Giese
9.jpg
2.769 Milliardäre mit 15 Billionen US-Dollar Vermögen: Wohnungsloser vor Luxusuhrengeschäft in Seattle

Wie dichtete Bert Brecht 1934? »Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an. Und der Arme sagte bleich: Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich.« Die Schere zwischen Arm und Reich geht heutzutage immer weiter auf. Die Entwicklungsorganisation Oxfam hat anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos den Bericht »Takers not Makers« vorgelegt, der ein Schlaglicht auf die global wachsende Ungleichverteilung wirft.

Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Milliardäre weltweit um 204 auf insgesamt 2.769. Ihr Vermögen nahm 2024 um zwei Billionen auf kaum vorstellbare 15 Billionen US-Dollar zu. Zeit für eine Milliardärssteuer, Investitionen in soziale Gerechtigkeit und eine Beschränkung für die Macht von Konzernen, findet Oxfam. Denn im Zusammenhang mit dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA, der am Montag abend (MEZ) das Präsidentenamt übernehmen sollte, zeige sich der wachsende Einfluss etwa eines Techunternehmers wie Elon Musk, der zudem reichster Mensch der Welt ist. Auch in der Bundesrepublik steigt die Zahl der Superreichen weiter an: 2024 ging die Zahl der Milliardäre um neun auf insgesamt 130 hoch. Damit rangiert Deutschland weltweit an der vierten Stelle bei diesem Wert. Auch das Gesamtvermögen der hiesigen Milliardäre nahm im vergangenen Jahr deutlich um 26,8 Milliarden auf 625,4 Milliarden US-Dollar zu. Nach Oxfam-Berechnungen stammen 36 Prozent des Gesamtvermögens der Superreichen weltweit aus Erbschaften. In der Bundesrepublik beträgt der Anteil sogar 71 Prozent.

Zugleich leben weltweit nahezu 3,6 Milliarden Menschen unter der erweiterten Armutsgrenze, die nach der Definition der Weltbank weniger als 6,85 US-Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Seit 1990 sei diese Zahl unverändert, berichtet Oxfam. »Für viele Familien bedeutet Armut Hunger. Heute müssen weltweit 733 Millionen Menschen hungern – etwa 152 Millionen mehr als 2019«, heißt es in einer Mitteilung der Entwicklungsorganisation. Deutlich sei bei genauer Betrachtung, dass der monströse Reichtum von wenigen und die extreme Ungleichheit von Arm und Reich im weltweiten Maßstab Folge des Kolonialismus sei. Bis zum heutigen Tag bestimmten die wirtschaftlich starken Länder des globalen Nordens die ökonomischen Regeln, von denen vorwiegend Superreiche und ihre Konzerne profitierten. Dazu gehöre auch die Dominanz dieser Gruppe in Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und auf den Finanzmärkten. Zwischen 1970 und 2023 hätten die Regierungen der Länder im globalen Süden allein 3,3 Billionen US-Dollar Zinsen an die Gläubiger im globalen Norden zahlen müssen. »Der Vermögenszuwachs der Superreichen ist grenzenlos, während es bei der Bekämpfung der Armut kaum Fortschritte gibt und zum Beispiel Deutschland die Unterstützung einkommensschwacher Länder sogar kürzt«, kritisierte Serap Altinisik, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland. Die Ungleichheit werde immer größer, was Negativfolgen für die Demokratie habe.

Auch in der Bundesrepublik vergrößere sich die Vermögenskluft zwischen Superreichen und armen Menschen immer schneller, erklärte Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei der Organisation. Verantwortlich dafür sei insbesondere die ungerechte Steuerpolitik. »Superreiche zahlen hierzulande oft weniger Steuern und Abgaben als Mittelschichtsfamilien«, stellte er fest. Die kommende Bundesregierung müsse endlich die Besteuerung großer Vermögen mit zwei Prozent beschließen und »dafür sorgen, dass Superreiche ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten«. Nötig seien mehr Investitionen in soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit, eine Beschränkung der Konzernmacht sowie die Stärkung des Kartellrechts. Fragt sich, welche Regierungskonstellation das umsetzen soll.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (27. Januar 2025 um 12:19 Uhr)
    Der exzessive Reichtum einiger weniger im Gegensatz zur großen Armut vieler ist nicht nur ethisch kaum zu rechtfertigen. Der Reichtum der wenigen ist auch eine Gefahr für die Demokratie, insoweit nur die Reichen die Mittel haben, Parteien ihrer Wahl entscheidend zu unterstützen, sei es durch Geldspenden oder durch Sichtbarkeitsalgorithmen ihrer Medien wie facebook, twitter oder google. Die globale Ungleichverteilung des Reichtums ist dabei keineswegs nur eine Folge des Kolonialismus, sondern auch eine Folge der Globalisierung. Sahra Wagenknecht liefert in ihrem Buch »Die Selbstgerechten« eine überzeugende Analyse der Probleme, die mit einer Grenzenlosigkeit des Freihandels verbunden sind. Auf Seite 372 der Taschenbuchausgabe von 2022 schreibt sie z. B., dass 80% des Welthandels innerhalb der Fertigungskette großer multinationaler Konzerne stattfinde. Im Klartext bedeutet das, dass der Wettbewerb nicht über innovative Technologien stattfindet, sondern über das Auffinden rechtlich günstiger Produktionsbedingungen. Die Fertigung arbeitsintensiver Produkte wird in Niedriglohnländer verlagert, und die Produktion in umwelt- oder gesundheitsgefährdenden Verfahren nimmt man in Ländern mit niedrigen Schutz-Standards vor. Gewerkschaftliche Streiks für besseren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen laufen da ins Leere. Auch innernational ist im Wettbewerb die Kenntnis von Steuerschlupflöchern und dergl. oft wichtiger als technologischer Fortschritt. Die Deregulierung der Postdienste hat nicht zu einem Technologieschub dort geführt, sondern geringere Preise wurden vor allem durch niedrigere Löhne erreicht. Neben einer Re-Regulierung gewisser Wirtschaftsbereiche ist auch eine begrenzte De-Globalisierung anzustreben. Der wirtschaftliche Erfolg von Ländern wie China oder Südkorea beruht durchaus auch auf einer begrenzten Abschottung ihrer Wirtschaft, zumindest solange, bis sie international auch technologisch konkurrenzfähig waren und nicht nur über niedrige Löhne punkten konnten.
  • Leserbrief von Norbert Heckl aus Stuttgart (22. Januar 2025 um 10:51 Uhr)
    Der Oxfam-Bericht spricht von 130 (US-Dollar-)Milliardären in Deutschland. Jedes Jahr im Oktober bringt das Manager-Magazin ein »Spezial« mit der Rangliste der 500 reichsten Deutschen. Im Editorial heißt es: »Noch nie gab es in Deutschland so viele (Euro-)Milliardäre: 249.« (2023: 226) Das sind weniger Einzelpersonen, sondern vor allem Ehepaare oder Familien (»Familie Susanne Klatten und Stefan Quandt« als Beispiel). Offensichtlich gibt es unterschiedliche Berechnungsmethoden, aber bei beiden läuft es auf das Gleiche hinaus: Die Superreichen werden von Jahr zu Jahr reicher und mehr, und dieser Reichtum bedeutet nicht nur mehr wirtschaftliche, sondern auch politische Macht. Empfehlenswert ist dieses »Spezial« im übrigen auch deshalb, weil es die Quellen des Reichtums benennt.

Mehr aus: Kapital & Arbeit