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Naturkosten (1)

Von Helmut Höge
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In einer Talkshow erzählte ein Millionär, dass er für die Operation seiner Katze 18.000 Euro bezahlt hätte. Das Publikum maulte: Wie kann man für ein schnödes Tier so viel Geld ausgeben? Die Tierschützerin Karen Duve meinte: Hätte er das Geld für ein schickes Auto ausgegeben, hätte es keiner kritisiert.

Zwei Zootierpfleger erzählten mir, dass es in der DDR private Züchter von Papageien, Königsittichen, Tragopanfasanen etc. gab. Die beiden hatten sie aufgesucht, um im Tiertausch Nachzuchten für den Zoo zu bekommen – dabei erfuhren sie, dass fast alle diese Vögel durch Eierschmuggel über die Westberliner Grenze gelangt waren. Ein Königssittichpärchen im zuchtfähigen Alter kostete offenbar 15.000 bis 20.000 Ost-Mark. Die Eier wurden in Australien für ein Taschengeld Nestern entnommen und dann von jemandem aus Gefälligkeit im Flugzeug mitgenommen. Die Oma, die in den Westen fahren durfte, bekam dann z. B. von ihren Verwandten »Wachteleier« geschenkt.

Die brasilianischen Spixaras sind wildlebend ausgestorben, aber in einigen Zoos und bei privaten Haltern leben noch weltweit 160 Exemplare, las ich vor Jahren auf spektrum.de. Eines kostete schon 1995 auf dem Schwarzmarkt etwa 100.000 Dollar. 2011 meldete die Märkische Oderzeitung: Die letzten Spixaras leben in einer Papageienzuchteinrichtung in 15566 Schöneiche. Sie gehörten zur »wertvollen ›Reservepopulation‹ des Vereins zur Erhaltung bedrohter Papageien«. Sie würden dort »umsorgt von Pflegerinnen, Tierärzten und Biologen, geschützt hinter Sicherheitstoren und Stahlzäunen, überwacht von Kameras und abgeschirmt von blickdichten Hecken«, wie die Süddeutsche Zeitung 2018 schrieb. 2015 wurden in Schöneiche vier Spixaras geboren, der Vereinsvorsitzende (»Ich komm’ aus’m Osten. Papageien waren schön bunt«) schickte zwei der Jungvögel zwecks Auswilderung nach Brasilien. Sie wurden von der brandenburgischen Umweltministerin am Flughafen Tegel medienwirksam verabschiedet.

Die Journalistin Anja Rützel besuchte einen Kurs in »Bibermanagement« und berichtet darüber in ihrem Buch »Saturday Night Biber« (2017). Gleich auf der ersten Folie des Kursleiters stand: »Bibermanagement ist Menschenmanagement«. Dazu gehöre auch ein sensibler »Bibertourismus«, der die Tiere nicht störe oder vertreibe. »Das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn ein Biberproblem am Stammtisch landet«, meinte der Kursleiter. Zur Not müsse man eine »Biberumsiedlung« vornehmen, was rund 7.000 Euro pro Tier koste.

2018 schickte die BBC den Biologen Mark Carwardine und den Satiriker Douglas Adams mit einem Kamerateam auf eine »Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde«, 1990 erschien ihr Bericht »Die letzten ihrer Art«. Ihre Recherchen führten sie u. a. nach Mauritius. Dort wurden sie vom Ornithologen Richard Lewis und dem Biologen Carl Jones abgeholt, die auf Mauritius mit Spendengeldern eine Rettungsstation für bedrohte Tierarten betreiben. Anfangs machten sie bei der kostspieligen Aufzucht und anschließenden Auswilderung der seltenen Mauritiusfalken und Rosentauben Fehler: Die Inselbewohner fingen sie alle oder schossen sie ab und aßen sie auf. »Wir konnten es einfach nicht fassen.«

Das BBC-Team wurde von der Botanikerin Wendy Strahm begleitet, die ihnen eine Pflanze zeigte: eine wilde Kaffeesorte (Ramosmania rodriguesii, bekannt als Café marron). Sie galt als ausgestorben – bis ein Schüler dort 1979 doch noch eine Pflanze am Straßenrand entdeckte. Um ihre Abholzung zu verhindern, wurde sie schnell eingezäunt. Dadurch wurden die umliegenden Bewohner auf sie aufmerksam. Sie stiegen über den Zaun und rissen kleine Äste, Blätter und Rindenstücke ab. »Da der Baum etwas Besonderes war, wollte jeder ein Stück davon haben.« Ihm wurden plötzlich Heilkräfte angedichtet. Vor dem Zaun wurde deswegen noch ein Stacheldrahtzaun errichtet. »Dann musste der erste Stacheldrahtzaun von einem zweiten Stacheldrahtzaun eingezäunt werden und dann der zweite von einem dritten, bis das Gehege sich über knappe 2.000 Quadratmeter erstreckte. Schließlich wurde auch noch ein Wächter eingestellt, um die Pflanze zu schützen.« In den englischen Royal Botanic Gardens, den Kew Gardens, versuchte man »mit Ablegern dieser einen Pflanze zwei neue Pflanzen zu kultivieren«, um sie irgendwann auszuwildern.

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