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Schuldumkehr

Von Pierre Deason-Tomory
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Dmitri Schostakowitsch in Leningrad, 20. November 1963

Die »Interpretationen« am Sonntag auf DLF Kultur (15.05 Uhr) beschäftigen sich mit der 13. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch, »Die Babi-Jar-Sinfonie«, auf eine Weise, die etwas über die Zeiten aussagt. Mit dem Werk, uraufgeführt 1962 in Moskau, erinnerte Schostakowitsch an das deutsche Massaker an sowjetischen Juden im September 1941 in Kiew. Es bedarf offenbar einer Neuinterpretation als – so wörtlich in der Programmankündigung – »Dokument der komplexen russisch-ukrainischen Geschichte«, denn dieses »Verbrechen wurde auch in der Sowjetunion verdrängt«. So verwandelt man die Ermordung von 33.000 Juden durch die Deutschen in einen Beleg für die Unterdrückung der Ukrainer durch die Russen. Dazu passt die Covergestaltung einer CD mit einer Aufnahme der 13. Sinfonie, die Orchester und Chor des Bayerischen Rundfunks 2005 eingespielt haben. Darauf zu sehen ein Hammer und eine Sichel, von Händen gehalten, an denen das Blut herunterläuft – als hätten die Russen geschossen und nicht die Deutschen. Es gilt, was schon immer galt: Die Deutschen werden den Juden den Holocaust niemals verzeihen – und den Russen nicht den Krieg.

Die Programmvorschläge: David Yambio ist aus dem Kongo geflohen und »Der Zeuge« vor dem Internationalen Strafgerichtshof; beklagt wird Versklavung und Mord in Libyen, beschuldigt die EU (Di., 19.30 Uhr, DLF Kultur). Drei »Gute Onkels« hat der Künstler Falk Rößler, sie kommen wie er aus Frankfurt (Oder) und erzählen, wie es ihnen erging, seit sie 1989 als junge Männer in die Vereinigung gerieten (Mi., 22.03 Uhr, DLF Kultur). Nach Robert Fillious grober Schätzung hat die Kunst am 17. Januar ihren eine Million zweiundsechzigsten Geburtstag gefeiert. Radiosender auf der ganzen Welt übertrugen zum Fluxus-Fest Konzerte und Happenings, ein Rückblick ist in »Art’s Birthday 2025 – schön war’s wieder.« zu hören (Do., 23 Uhr, Ö 1), ein weiterer in der »Klangkunst«-Ausgabe »Art’s Birthday 2025« (Fr., 0.05 Uhr, DLF Kultur). Damit zu einem Künstler, der in Klagenfurt geboren wurde und berufshalber Späße macht. Weil beides in der werdenden k. und Kickl-Despotie noch nicht verboten ist, sendet Ö 1 »Hosea Ratschiller live und von Anfang an« (Fr., 20 Uhr). Im Vorfeld des 27. Januar thematisieren die Kulturradios in zahlreichen Sendungen den Holocaust, zuerst genannt sei das Hörspiel nach dem »Roman eines Schicksallosen« von Imre Kertész (NDR 2000, Sa., 18.05 Uhr, NDR Kultur).

Der »Bayern 2-Radiokrimi« am Samstag abend ist die Neuproduktion »Geisterstadt (1/3)« von Friedrich Ani (BR 2025, Ursendung, 20.03 Uhr). Zeitgleich laufen zwei Operngroßereignisse, »Ariadne auf Naxos« von Richard Strauss, live in Dollfuß Surround übertragen aus der Wiener Staatsoper (20 Uhr, Ö 1), und Verdis »Aida«, zeitversetzt übernommen aus der New Yorker Met (20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, NDR Kultur, Radio 3, SR 2 Kultur, SWR Kultur, WDR 3). Das Thema Schoah im Kinderhörspiel? DLF Kultur empfiehlt das Stück »Überleben – Die Kinderoper ›Brundibár‹ in Theresienstadt« von Lisa Sommerfeldt ausdrücklich für Hörer ab neun (SWR 2023, So., 8.05 Uhr). Im »Sonntagsstudio« diskutierten im November die Autorinnen Simone Buchholz, Elisabeth Plessen und Nicole Seifert über Frauen im Literaturbetrieb, über ihre Missachtung »Von der Gruppe 47 bis heute«. Der Ankündigung des Senders ist es nicht zu entnehmen, aber vielleicht sprachen sie sogar über ihre Kolleginnen in der DDR. Es ist sicher ein Gewinn, wenn drei Westfrauen unter sich von Ostfrauenliteratur reden (So., 20.04 Uhr, NDR Kultur).

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