Seltsame Geste des Tages: Musk-Gruß
Von Nick Brauns
Donald Trump war gerade erst als Präsident vereidigt worden, da ruckte es seinem designierten Verantwortlichen für Regierungseffizienz schon in den Gliedern. Zweimal riss Elon Musk während einer Rede vor jubelnden Trump-Anhängern am Montag in der Capital One Arena in Washington den rechten Arm mit ausgestreckter Hand schräg in die Höhe. Die Geste scheint eindeutig. Der Techmilliardär zeigte den Hitlergruß. Dass er davor die Hand auf seine linke Brustseite gelegt und ausgerufen hatte, er werfe den Zuschauern sein Herz zu, widerspricht dem nicht. Auch von Hitler ist genau diese Bewegung bekannt.
Es sollte nicht zu sehr erstaunen, dass Musk, der seine Plattform X der millionenfachen Verbreitung rassistischer und antisemitischer Hetze geöffnet hat und die Werbetrommel für ultrarechte Parteien wie die AfD und die Fratelli d’Italia rührt, einen faschistischen Gruß zeigt. Zumal der reichste Mann der Erde zur Provokation neigt – weil er es sich leisten kann.
»Aufregung um seltsame Musk-Geste«, titelte Bild und meint, am Ende könne nur Musk selbst aufklären, was er ausdrücken wollte. Bei einem palästinensischen Demonstranten in Berlin, der mit ausgestrecktem Arm einen aufdringlichen Pressefotografen abzuwehren suchte, war das Blatt nicht so tolerant: »Hitlergruß und Hamas-Jubel«, hieß es vergangenen August über dem Foto des Demonstranten.
Einen Persilschein bekommt Musk von der Anti-Defamation League ausgestellt. Er habe im »Moment der Begeisterung eine ungeschickte Geste, keinen Nazigruß gemacht«, springt die New Yorker Vereinigung gegen Antisemitismus, die ihre Scheinwerfer bevorzugt auf linke Kritiker der israelischen Politik richtet, für Israel-Fan Musk in die Bresche. Da kann AfD-Chefin Alice Weidel, die im Dialog mit Musk Hitler zum Kommunisten erklärt hatte, aufatmen. Ihr US-Idol ist doch kein verkappter Roter.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (22. Januar 2025 um 17:04 Uhr)Das große Geld zeigt der Welt uverblümt und ohne Skrupel, wohin es zu marschieren gedenkt. Die Geste ist dem Faschismus entliehen. Wenn sogar Ex-Präsident Biden vor den Folgen der Herrschaft der Oligarchen warnt, scheint es wirklich ernst zu werden. Und dann werden nicht nur die Gesten der Vergangenheit wieder öffentlich zu sehen sein. Brecht wusste wohl, warum er warnte »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!«
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (22. Januar 2025 um 14:46 Uhr)Ab einem gewissen Reichtum setzen offensichtlich eh zunehmender Moralverlust und irreversibler Geistesschwund ein, einhergehend mit göttlichen Allmachts- und Weltbeherrschungsfantasien; kurzum: Unzurechnungsfähigkeit. Daraus ergeben sich zwingend zwei Fragen: 1. Warum hat die Gesellschaft es zugelassen, dass es überhaupt zu dieser ebenso unheilbaren wie unheilvollen verheerenden Krankheit »Multimilliardär« kommen konnte? Hätte sie sich vor ihm und ihn vor sich selbst nicht bereits viel früher schützen können und müssen? 2. Wieso läuft so einer noch immer frei herum? – Totales Staatsversagen!
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (22. Januar 2025 um 13:32 Uhr)Die Geste, um die es hier geht, ist in der Tat interpretationsbedürftig. Sie erinnert stark an den sogenannten »Römischen Gruß«, der jedoch historisch gesehen nichts mit dem antiken Rom zu tun hat. Diese Geste wurde in ihrer vereinfachten Form – ohne das Hand-aufs-Herz-Legen – zunächst im faschistischen Italien und später im nationalsozialistischen Deutschland als offizieller Gruß etabliert. Interessanterweise hat der Gruß eine parallele Geschichte in den USA. Dort existierte seit 1892 der sogenannte »Bellamy Salute«, ein patriotischer Gruß, der für das Treuegelöbnis zur US-Flagge verwendet wurde. Er war besonders in Pfadfinderorganisationen weit verbreitet. Wegen seiner frappierenden Ähnlichkeit zum Hitlergruß wurde der Bellamy Salute 1942 durch eine Hand-über-das-Herz-Geste ersetzt, als der US-Kongress den potenziell missverständlichen Gruß offiziell abschaffte. Diese historische Verflechtung zeigt, wie Geste und Kontext untrennbar miteinander verbunden sind. Es bleibt die Frage, ob Musks Geste einer historischen Ignoranz, einem provokanten Kalkül oder schlicht einer unüberlegten Handlung geschuldet war.
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vom 22.01.2025