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Aus: Ausgabe vom 23.01.2025, Seite 1 / Titel
Rüstungsexport

Wertewaffen für die Welt

Neuer Rekord bei deutschen Rüstungsexporten im Jahr 2024. Ukraine erhält mehr als die Hälfte. Ausfuhren in die Türkei auf Höchststand
Von Arnold Schölzel
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Totmacher senden, Kriege nähren (Sturmgewehre von Heckler & Koch zur Auslieferung bereit)

Die Bundesregierung genehmigte im vergangenen Jahr Ausfuhren von Kriegswaffen und militärischer Ausrüstung für 13,33 Milliarden Euro – rund zehn Prozent mehr als 2023 und so viel wie nie zuvor. Weit mehr als die Hälfte davon ging mit 8,15 Milliarden Euro an die Ukraine. Die am Mittwoch von dpa veröffentlichten Zahlen gehen aus einer Antwort des von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der BSW-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Das Ministerium hatte bereits am 18. Dezember einen vorläufigen Rüstungsexportbericht vorgelegt, nun liegt die Statistik fürs gesamte Jahr vor. Dagdelen erklärte dazu: »Mit ihren Waffenexporten in neuer Rekordhöhe nähren SPD und Grüne Kriege weltweit.« Mit der Ausrede, es gehe nur um die Ukraine, versuche die Bundesregierung, »die Öffentlichkeit über diesen historischen Skandal zu täuschen«.

Deutsche Waffen erhält zwar jeder, der möchte, laut Habeck-Ministerium aber regelbasiert. Die Behörde hatte im Oktober mitgeteilt: »Die Verteidigungsfähigkeit unserer Wertepartner und die Beachtung von Menschenrechten« seien Schwerpunkte bei der Auswahl. Im Dezember hatten allerdings die Friedensforscher der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) in ihrem alternativen Rüstungsexportbericht für 2023 kritisiert, der Kreis der Werte- oder Sicherheitspartner weite sich ständig aus. Die Praxis der Bundesregierung, Exportgenehmigungen zu vergeben, ohne diese Begriffe zu definieren, sei »höchst problematisch«.

Im Bundestagswahlkampf 2021 hatte Bündnis 90/Die Grünen angekündigt, keine Waffen »an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete« zu liefern. Ebenso wie die SPD forderte die Partei ein Rüstungskontrollgesetz, das auch im Koalitionsvertrag mit der FDP verankert wurde. Daraus wurde nichts. Im Entwurf des Wahlprogramms von Bündnis 90/Die Grünen für die Wahl am 23. Februar heißt es nun, Kriterien für Rüstungsexporte sollten »auf nationaler und europäischer Ebene gesetzlich« verankert werden.

Bis es soweit ist, wird weitgehend uneingeschränkt geliefert. Am 12. Dezember wurde zum Beispiel bekannt, dass die Waffenlieferungen an den Wertepartner Türkei im Umfang von knapp 231 Millionen Euro einen neuen Höchststand erreicht haben. Habeck hatte Ende September wieder Torpedos, Lenkflugkörper und Bauteile für U-Boote in größerem Umfang für Ankara genehmigt. Unter den zehn wichtigsten Empfängerländern war 2024 zudem erneut Israel, allerdings mit einem auf 161,1 Millionen Euro halbierten Volumen im Vergleich zum Vorjahr.

Hinter der Ukraine rangierte 2024 auf Platz zwei der Empfängerländer mit Rüstung im Wert von mehr als 1,2 Milliarden Euro Singapur. Der Stadtstaat besitzt nach dem Urteil des Bonner Internationalen Zentrums für Konfliktstudien (BICC) vom Juli 2024 selbst eine »sehr leistungsfähige eigene Rüstungsindustrie«, die auch mit deutscher Technologie arbeitet. Zu den deutschen Lieferungen für Singapur gehörten: Dieselmotoren für Schützenpanzer, gepanzerte Mannschaftstransporter sowie zwei früher bestellte U-Boote (Type 218). Auf Platz drei rangiert 2024 Algerien mit Waffenimporten in Höhe von etwa 560 Millionen Euro. Im Februar 2024 hatte das Handelsblatt berichtet, dass das Land neue Radpanzer »Fuchs 2« für einen dreistelligen Millionenbetrag bestellt habe. Die Fahrzeuge werden im Süden Algeriens in einem Rheinmetall-Werk zusammengebaut.

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