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Aus: Ausgabe vom 23.01.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
US-Politik

Trumps Sekrete

Das Programm des US-Präsidenten: Zweite Inauguralrede wiederholt erste vor acht Jahren, nur schlechter
Von Felix Bartels
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Übt schon mal die Landesverteidigung: Donald Trump (Washington, 20.1.2025)

Am Ende war dann wieder alles ganz anders und dennoch mehr vom selben. Trumps Rede zur Amtseinführung, gehalten am Montag im Kapitol, jenem Gebäude, das er vor vier Jahren stürmen ließ, machte keine Ausnahme vom mittlerweile etablierten Erfahrungsgesetz: Der Mann überrascht, indem er erwartbar agiert, und agiert erwartbar, indem er überrascht. Es waren die üblichen Superlative und Peinlichkeiten, Verhöhnung des Gegners, manichäistisches Schwarzweiß und die starke Neigung, sich die Welt im Kopf zu basteln, die der 45. und 47. Präsident der Vereinigten Staaten nicht bei sich halten konnte, als Warmup für die folgenden rund 80 präsidialen Verordnungen, die er im Lauf des ersten Amtstages unterzeichnete. Erst kamen die Sekrete, dann die Dekrete. Man darf sich auf die kommenden Jahre freuen.

In der Inauguralrede formuliert der Amtsinhaber sein Programm und die Ideologie, auf deren Grund er sein Handeln stellt. Selbst Trump, den erratisch zu nennen mittlerweile fast phrasenhaft üblich geworden ist, redet bei einer solchen Gelegenheit erstaunlich klar, auch wenn seine Ideologie ebenso disparat wie orientiert scheint. Man wird dennoch einräumen müssen, dass die Einführungsrede vor acht Jahren grundlegender gewesen ist. Was dort programmatisch ausgelegt war, scheint in der jetzigen zweiten Rede nur noch als Spuren auf. Mehr gereiht als geordnet, sprunghaft zudem. Toby Ziegler, ohne Zweifel, hätte geschossen.

Damals wurde die Frage diskutiert, ob man Trump einen Faschisten nennen kann. Die Rede schien durchwachsen. Typische Elemente (das Verdecken von Klassengegensätzen, Konstruktion einer Volksgemeinschaft, äußerer Feind, innerer Feind) waren durchaus vorhanden, andere typische (Streben nach Expansion, Eingriff in die Verfassung, Beschnitt der Bürgerrechte, Differenz zwischen Volks- und Staatsbürger) fehlten. Das hat sich teilweise, und nicht zum Erfreulichen, verschoben. Heute führt Trump auch die Expansion im Mund, sein Nationalismus ist nicht mehr so ganz defensiv wie vor acht Jahren. Der kardinale Mechanismus seiner Ideologie indessen bleibt unberührt: Überführung des Klassengegensatzes in einen politischen Kulturkampf. Milliardäre und Besitzlose kämpfen vereint – nach außen gegen die Gefahr aus China und Mexiko, nach innen gegen das Establishment, die Elite in Washington. Das große Kunststück besteht darin, eine politische Klasse zu attackieren, der er selbst angehört. Die Rede von 2017 hat dieses Kunststück wie auch die anderen ideologischen Elemente rational fassbar gemacht. Die Rede von 2025 arbeitet eher mit diesen Elementen, als sie selbst zum Thema zu machen.

Eigene Aggression verleugnet

Trump eröffnet mit einer Lüge, verpackt in einer Wahrheit. Die Demokraten, sagt er, haben die Behörden für ihre partikularen Zwecke instrumentalisiert. Das stimmt, zumindest in mancher Hinsicht – erinnert man etwa die Kooperation des FBI bei den Ermittlungen zum »Russia Gate«. Über seine Regierung behauptet er dann: »Wir bringen die Waage der Gerechtigkeit wieder ins Gleichgewicht.« Was offenkundig das Gegenteil dessen ist, was die Republikaner unter seiner Führung vorhaben, das Gegenteil auch dessen, was immer wieder angekündigt wurde. Beide Lager tun spätestens seit Obama nichts anderes, als ihre partikularen Interessen vermittels Regierung und Behörden durchzusetzen und das ganze in einer Rhetorik zu verunklären, dernach sie die Interessen der gesamten Nation vertreten und nur der Gegner seine partikularen.

Manichäistisch geht es weiter, wenn Trump die kommende Periode als goldene preist und zurückligende als eine der Finsternis. Man stehe »am Beginn einer aufregenden Ära des nationalen Erfolgs«, und »über viele Jahre« habe »ein radikales und korruptes Establishment unseren Bürgern Macht und Reichtum entzogen«. Dieses Moment geistert nun nicht mehr allein durch die Maßnahmen, es wird in der Behörde für Regierungseffizienz institutionalisiert. Trump erwähnt sie nur beiläufig, nähere Angaben zu Zielen und Methoden dürften den Eindruck stiften, das Mittel verkörpere eben das, wogegen der Zweck sich richtet. Natürlich geht es nicht um die Beseitigung des »Deep State«, sondern um seine Neubesetzung. Als Rechtfertigung muss, wie anders bei Trump, sein persönliches Schicksal herhalten. Damit, dass die »immense Macht des Staates dazu missbraucht« wird, »politische Gegner zu verfolgen«, sagt er, »habe ich Erfahrung«. Eine Anspielung auf die Strafverfahren gegen ihn, von denen sich – politisches Interesse seiner Gegner konzediert – nun kaum behaupten lässt, dass sie juristisch gegenstandslos seien.

Der Move, die eigene Aggression dadurch zu verwischen, dass man nur über die des Gegners spricht, sie also in bloße Defensive oder Wiederherstellen eines Zustands von Gerechtigkeit umzudeuten, findet sich auch auf dem Feld der Kulturkämpfe. Ein gegebener, immer schon ungerechter Zustand wird als gerechter ausgegeben, und diejenigen, die ihn politisch korrigieren wollen, erscheinen als Störer dieser Gerechtigkeit. So wirft Trump der Biden-Administration vor, »Rasse und Geschlecht in jeden Aspekt des öffentlichen und privaten Lebens« hineingezwungen zu haben, und setzt dem eine Politik entgegen, die »farbenblind« sei. Als gebe es keinen strukturellen Rassismus und keine strukturelle Diskriminierung von Geschlechtern oder sexuellen Minderheiten, gegen die, will man ein echtes Gleichgewicht herstellen, man nichts tun kann, als eben administrativ zu wirken. Freiheit, im Sinne Trumps verstanden, bedeutet die Alleinherrschaft der mächtigeren Seite.

Der Kulturkampf hat auch drollige Episoden. In der Rede wird der Mount McKinley erwähnt, der unter Obama seinen indigenen Namen »Denali« zurückerhalten hatte, Trump kündigte an, ihn wieder umzubenennen. Beim Golf von Mexiko dagegen hält er es weniger mit Tradition, er soll künftig »Golf von Amerika« heißen, und kein Zweifel, welches Amerika da gemeint ist.

Von Mexiko nämlich drohe nicht weniger als eine »katastrophale Invasion«. Er werde »den nationalen Notstand an unserer Südgrenze ausrufen«, Millionen Menschen abschieben und die Zuströmenden außerhalb des Landes halten. Zu diesem Zweck soll das Militär im Landesinneren eingesetzt werden. Abgesehen von den handgreiflich-praktischen Folgen – auseinander gerissene Familien, gebrochene Lebensläufe, Arbeitskräftemangel gigantischen Ausmaßes – ist hier bezeichnend die Kon­struktion des dringend benötigten Feinds von außen, als Mittel zur Disziplinierung der nationalen Arbeiterklasse und als konvenientes Ersatzfeindbild. Als Umschreibung mithin einer breiten, in sich sehr verschiedenen Bevölkerung in einen einzigen, feindlichen und nichts als feindlichen Körper.

Expansion vorbereitet

Diese vielleicht noch defensiv zu verstehende Außenpolitik wird ergänzt durch eine im Grunde schon expansive Agenda. Das bewährte Feindbild China steht im Hintergrund, konkreter wird Trump bei einem anderen Land. Man werde sich den Kanal zurückholen, »den die Vereinigten Staaten dämlicherweise dem Land Panama geschenkt haben«. Und der in Panama liegt. Man kann das kaum anders denn als Ankündigung einer Expansion lesen, sofern Panama nicht vorbeugend klein beigibt. Der Expansionismus macht dann auch nicht Halt beim eigenen Vorhof, Trump redet davon, auf dem Mars die amerikanische Flagge zu hissen, um kaum zufällig im Anschluss die Zeit der Kolonien zu preisen. Wie das nun wieder zu verstehen ist, weiß, wenn überhaupt, nur er selbst. Entweder meint er wirklich, dass der Mars kolonisiert werden soll, oder aber er hat – bescheiden – ein paar Länder auf der Erde im Sinn. Die Frage, wie man Land kolonisiert, das bereits von anderen bewohnt wird, stellt sich da nicht. Trump schwärmt regelrecht von der Eroberung des Wilden Westens (Vertreibung und Völkermord an der indigenen Bevölkerung beiseite) und der Beendigung der Sklaverei durch die Amerikaner (die sie überhaupt erst installiert haben). Und einmal beim Loben dieser großartigsten Nation schreibt er ihr auch gleich die Entdeckung der Kernspaltung zu (noch ehe der Hahn einmal krähen konnte).

Was in den Händen der USA liege, ist kein geringeres Ziel als der Weltfrieden. Bislang stand es nicht gut um ihn, aber das große Land kann es schaffen: »Unsere Macht wird alle Kriege beenden und einen neuen Geist der Einheit in eine Welt bringen.« Wahlweise auch er selbst: »Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Stifters von Frieden und Einheit sein.« Den Auftrag dazu hat er von ganz oben erhalten: »Ich wurde von Gott gerettet«, sagt er mit Blick auf das überlebte Attentat, »um Amerika wieder großartig zu machen.« Wenige Sätze zuvor: »In den vergangenen acht Jahren wurde ich mehr als jeder andere Präsident in unserer 250jährigen Geschichte auf die Probe gestellt und herausgefordert.« Unterm Superlativ macht er es nicht.

Dass eine von Narzissmus platzende Rede zugleich die »Revolution des gesunden Menschenverstands« beschwört, mag seltsam anmuten, hat aber Bedeutung. Das Schlagwort kann durchaus als Ausdruck der Stimmung im republikanischen Teil des Landes genommen werden. Gesund, das heißt hier so viel wie: unmittelbar, weitere Zusammenhänge ausblendend. Was sich insonders in der Wirtschaftspolitik zeigt. »Anstatt unsere Bürger zu besteuern«, sagte der frische Amtsinhaber, »werden wir ausländische Länder mit Zöllen und Steuern belegen, um unsere Bürger zu bereichern.« Klingt clever, solange man es nicht zu Ende denkt. Schutzzölle führen zu Preiserhöhungen, die eben diejenigen spüren werden, denen er hier Steuererleichterungen verspricht.

Hintergrund: Common sense

Diesmal war es nicht die biggest crowd ever. Und es gab auch keine Luftbilder, auf die eine Pressesprecherin mit der Rechtfertigung reagieren musste, der Präsident habe »alternative Fakten« benannt. Trumps Rede zur Amtseinführung selbst aber war natürlich angefüllt mit Halbwahrheiten, Lügen und Kurzschlüssen. Interessant vor diesem Hintergrund: Trump beschwor in derselben Rede den »gesunden Menschenverstand« (common sense).

Was keine Nebensache ist, denn darin drückt sich aus, wie man im MAGA-Lager fühlt. Der gesunde Menschenverstand, den Hegel als »zu Aberglauben an Abstraktionen heraufgebildeten« Verstand definiert, lebt ganz im Unmittelbaren, und das Unmittelbare ist die stärkste denkbare Abstraktion. Wahrheit wird immer erst als solche erreicht, wo von Zusammenhängen zu reden geht. Eben die umgeht der gemeine Menschenverstand, der seine Überzeugungen mehr fühlt als beleuchtet. In diesem Grad der Unbewusstheit kann dann auch keine Reflexion stattfinden. Wo Wahrheit emphatisch beschworen wird, löst der Begriff von Wahrheit sich auf. Das Trachten des Subjekts verschmilzt mit der Weltauffassung. Sophistik kennt keine Wahrheit außerhalb menschlicher Zwecke. Der Mensch, sagte Protagoras, ist das Maß aller Dinge. Und dieser Mensch, sehen wir, heißt Donald Trump.

So gesehen ist der amtierende Präsident der USA in der Tat ziemlich modern, oder besser: postmodern. Unsere Epoche scheint gekennzeichnet davon, dass politische Kämpfe nicht mehr auf Basis gemeinsam anerkannter Evidenzen ausgefochten werden, die man dann so oder so interpretiert. Es ist bereits das Material der Wirklichkeit selbst, das angezweifelt wird. So argumentiert man etwa nicht, die globale CO2-Belastung sei zwar ein Problem, die USA aber seien in einer Notlage und müssen daher auf fossile Energiequellen setzen. Man löst das Problem, indem man den Klimawandel leugnet. Das Anzweifeln von Evidenzen passiert in zwei Schritten. Im ersten wird die eigene Versammlung gefühlter Fakten als alternativ ausgegeben. Der Griff ist bekannt als »Marlboro Move«. Im zweiten wird sie gesellschaftlich etabliert im Sinne der von Steve Bannon formulierten Losung: »Flood the zone with shit«.

Bemerkenswert hierbei: Trump, indem er dieses Prinzip verkörpert, gleicht seinem äußersten Feindbild sehr. Es scheint das traurige Verdienst der postmodern-dekonstruktivistisch grundierten Denkströmung, deren politischen Arm die Queer- und Genderbewegung ist, der Gesellschaft den Wahrheitsbegriff ausgetrieben zu haben, indem objektive Verhältnisse zu bloßen Fragen der Empfindung gemacht wurden. Der »gesunde Menschenverstand« reproduziert das akademisch-elaborierte Konzept, indem er es vervolkstümlicht und in seiner Tendenz verkehrt. (fb)

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