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Aus: Ausgabe vom 23.01.2025, Seite 6 / Ausland
Westbank

Dschenin im Würgegriff

UNO kritisiert Siedlergewalt und Militäreinsatz in besetzter Westbank – Israel führt Attacken unbeirrt fort
Von Ina Sembdner
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Hilfe für Verletzte kommt hier nicht durch: Monströse israelische Bulldozer am Mittwoch in Dschenin

UN-Generalsekretär António Guterres hat seine Warnungen vor einer Annexion des besetzten Westjordanlands am Mittwoch bekräftigt. Es bestehe die Möglichkeit, dass Israel sich durch seine »militärischen Erfolge« ermutigt fühle, »und denkt, dies sei der richtige Zeitpunkt für die Annexion des Westjordanlands und den Verbleib des Gazastreifens in einer Art Schwebezustand«, sagte Guterres am Mittwoch beim Weltwirtschaftsforum in Davos. »Das wäre ein vollständiger Verstoß gegen das Völkerrecht (…) und würde bedeuten, dass es im Nahen Osten niemals Frieden geben wird.«

Hintergrund sind die Eskalation seitens radikaler israelischer Siedler seit Beginn der Waffenruhe im Gazakrieg am Sonntag, und der seit Dienstag laufende Militäreinsatz in der besetzten Westbank, der bislang mindestens zehn Tote und 35 Verletzte forderte. Vor allem in dem als Hochburg des palästinensischen Widerstands geltenden Flüchtlingscamp Dschenin verschärfte sich die Lage weiter. »Die Situation ist sehr schwierig«, sagte der Gouverneur der Stadt, Kamal Abu Al-Rub, am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Rund 200 Menschen seien im Innenhof des Krankenhauses von Dschenin eingeschlossen. »Die Besatzungsarmee hat mit Bulldozern alle Straßen, die zum Lager Dschenin und zum Krankenhaus führen, zerstört«, erklärte Al-Rub. Es gebe »Schüsse und Explosionen. Ein Flugzeug fliegt über dem Gebiet.« Israelische Soldaten hätten in Dörfern bei Dschenin 20 Menschen festgenommen. Einwohner berichteten über eine erhebliche Zunahme der israelischen Kontrollpunkte in dem Gebiet.

Vom Militär hieß es wie gewohnt ohne Belege für diese Aussage, man habe »zehn Terroristen« getötet. Israels Verteidigungsminister Israel Katz erklärte, der Einsatz sei »entscheidend« für die »Eliminierung von Terroristen« im Lager Dschenin. Die Streitkräfte würden die Entstehung einer neuen »Terrorfront« dort nicht erlauben. Katz stellte den Einsatz als Teil des umfassenderen Kampfes Israels gegen den Iran und seine militanten Verbündeten in der Region dar und sagte laut der US-Agentur AP: »Wir werden die Arme der Krake so lange schlagen, bis sie brechen.«

Auch das UN-Menschenrechtsbüro zeigte sich am Mittwoch »alarmiert wegen einer neuen Welle der Gewalt durch Siedler und israelische Einsatzkräfte«. So sei in Sebastia nahe der Stadt Nablus ein offenbar unbewaffneter 14jähriger palästinensischer Junge mit einem Schuss in die Brust getötet worden, »ohne dass es zu Konfrontationen oder Zusammenstößen kam«, wie es in der Mitteilung heißt. Darüber hinaus seien alle Zugänge nach Hebron geschlossen worden, »wodurch Tausende von Palästinensern von den Nachbargemeinden abgeschnitten und Kinder weitgehend daran gehindert wurden, die Schulen zu besuchen, und Einwohner nicht zur Arbeit gehen konnten«. Berichten zufolge seien 13 neue Eisentore an den Eingängen von Städten im gesamten Westjordanland installiert worden. Unter den zahlreichen Festgenommenen befänden sich auch Journalisten. Erinnert wurde daran, dass das Land verpflichtet sei, »die Siedlungen aufzulösen und alle Siedler aus dem besetzten Westjordanland zu evakuieren und seine unrechtmäßige Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu beenden«.

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