Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Montag, 24. Februar 2025, Nr. 46
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 24.01.2025, Seite 4 / Inland
Nach Anschlag in Aschaffenburg

Wahlkampf mit Leichen

CDU-Chef will nach Messeranschlag in Aschaffenburg Einreiseverbot für Unbefugte und deutlich mehr Abschiebeknäste. Innenministerin für Härte
Von Marc Bebenroth
4.jpg
Trauerkerzen, Blumen und Plüschtiere erinnern auf einer Bank in dem Park an die Opfer (Aschaffenburg, 23.1.2025)

Die Tat ist für die Wahlkämpfer ein gefundenes Fressen: Am Donnerstag hat der Kanzlerkandidat der Unionsparteien, Friedrich Merz (CDU), die getöteten und die verletzten Opfer des Messerangriffs von Aschaffenburg für seinen persönlichen Trump-Moment instrumentalisiert. Der Unionsfraktionschef kündigte in Berlin an, am ersten Tag im Kanzleramt das Innenministerium anzuweisen, alle deutschen Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen. Merz sprach von einem »faktischen Einreiseverbot« für Menschen ohne gültige Einreisedokumente.

Ausreisepflichtige sollen massenhaft in Abschiebegewahrsam gefangengehalten werden, forderte Merz. »Der Bund muss auch so schnell wie möglich alle verfügbaren Liegenschaften zur Verfügung stellen, wie etwa leerstehende Kasernen und weitere Gebäude, Containerbauten auf abgeschlossenen Grundstücken«, sagte er. Die Bundespolizei solle ermächtigt werden, eigenständig Haftbefehle erlassen zu können, sobald ihnen ausreisepflichtige Menschen in die Hände fallen.

»Das Maß ist endgültig voll«, empörte sich der Christdemokrat. Abschiebungen müssten »täglich stattfinden«, und die Zahl müsse größer werden. Aus der FDP kam Unterstützung für die Vorschläge von Merz. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht forderte eine »reale Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik«. AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel bekräftigte angesichts der Tat in Aschaffenburg ihre Forderung nach »Remigration«.

Ein 28jähriger Afghane war am Mittwoch festgenommen worden, weil er verdächtigt wird, mittags in einem Park der Innenstadt von Aschaffenburg mehrere Menschen mit einem Messer angegriffen zu haben. Die Attacke richtete sich offenbar gegen eine Kindergartengruppe sowie Passanten, die den Angreifer abwehren wollten. Der Täter tötete nach Angaben der bayerischen Regierung mit einem Küchenmesser einen zweijährigen Jungen marokkanischer Herkunft und einen 41jährigen Deutschen. Er verletzte demnach außerdem ein zweijähriges syrisches Mädchen sowie einen 72jährigen Deutschen und eine 59jährige Deutsche.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Donnerstag, dass sie und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Abend zuvor mit den »Sicherheitsbehörden« beraten hatten, »was aus dieser furchtbaren Tat folgt«. Als erstes Ziel der weiteren Aufklärung nannte sie die Beantwortung der Fragen, »warum der Täter noch in Deutschland war« und »wie mit ihm trotz seiner vorherigen Gewalttaten durch die Polizei und Justiz vor Ort umgegangen wurde«. Die Behörden in Bayern müssten erklären, warum der Verdächtige »trotz mehrfacher Gewaltdelikte noch auf freiem Fuß war«.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte wenige Stunden nach der Tat erklärt, dass die Ermittler auch nach der Durchsuchung der Räume des Festgenommenen in einer Unterkunft für Asylsuchende keine Hinweise auf ein islamistisches Tatmotiv gefunden hätten. »Im Moment geht die Mutmaßung sehr stark in Richtung seiner offensichtlich psychischen Erkrankungen«, sagte Hermann in Aschaffenburg. Die Angaben des Ministers über den Verdächtigen waren bemerkenswert umfangreich.

Der Afghane sei im November 2022 in die BRD eingereist und habe später Antrag auf Asyl gestellt. Das Verfahren sei abgeschlossen worden, als der Mann den Behörden mitgeteilt habe, die BRD wieder verlassen zu wollen. In diesem Moment sei er rechtlich ausreisepflichtig geworden. In der Vergangenheit sei er drei Mal wegen Gewaltdelikten auffällig geworden und habe sich mehrfach zur psychiatrischen Behandlung in entsprechenden Einrichtungen befunden.

»Der Rechtsstaat muss Härte zeigen«, floskelte Faeser am Donnerstag. Sie rühmte sich und die Bundesregierung damit, diverse Gesetze zum Nachteil von Asylsuchenden geändert sowie erstmals seit der Rückkehr der Taliban an die Macht wieder Menschen nach Afghanistan abgeschoben zu haben. Im Fall des Verdächtigen von Aschaffenburg sei 2023 eine »Abschiebung nach Bulgarien erforderlich gewesen«, wusste Faeser.

Der Bundestag solle so schnell wie möglich weitere Gesetzesänderungen beschließen. Die Sozialdemokratin warnte schließlich »sehr deutlich« davor, »eine solch furchtbare Tat für Populismus zu missbrauchen«. Das nutze »nur den Rechtspopulisten mit ihrer Menschenverachtung«.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio im November 2015 zur...
    16.01.2016

    Besorgte Bayern

    CSU-Rechtsaußenbündnis »Konservativer Aufbruch« fordert Austritt aus der Bundesregierung

Regio: