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Aus: Ausgabe vom 24.01.2025, Seite 15 / Feminismus
USA

Antifeministischer Rollback

USA: Trumps Dekrete zielen auch gegen Frauen und geschlechtliche Minderheiten. Zivilrechtliche Organisationen bereit, zu kämpfen
Von Ina Sembdner
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Die Zahl der Schilder dürfte jener der Rechte entsprechen, die bedroht sind: »People’s March on Washington« am Sonnabend

Die Informationsseite »reproductiverights.gov« ist seit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trumps am Montag offline. Die Regierungsseite war 2022 von seinem Vorgänger Joe Biden eingerichtet worden, nachdem der Oberste Gerichtshof das landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt hatte. Sie enthielt Informationen über die Möglichkeiten, einen Abbruch durchführen zu können, zu reproduktiver Gesundheitsfürsorge sowie ein Merkblatt über die Rechte Betroffener. Doch ist dies nicht der einzige Ausdruck der nun wieder im Weißen Haus dominierenden Feindlichkeit gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen und geschlechtlichen Minderheiten.

Wie das Center for Reproductive Rights in einer Pressemitteilung zur Amtseinführung des ultrarechten Republikaners schrieb, habe Trump »bereits eine ganze Reihe von Abtreibungsgegnern für die Leitung wichtiger Regierungsbehörden nominiert und damit seine Absicht deutlich gemacht, die reproduktive Gesundheitsfürsorge weiter abzubauen«. Die Präsidentin der Organisation, Nancy Northup, erinnerte daran, dass Frauen durch dessen Maßnahmen in der ersten Amtszeit gestorben seien – »und sie sterben weiter«. Aber das Center gibt sich kampfbereit und erklärt: »Wir werden in den nächsten vier Jahren jeden Tag vor Gericht stehen, wenn es sein muss.« Dafür stünden Hunderte Pro-bono-Anwälte bereit, die dazu häufig in genau den Behörden gearbeitet hätten, »die wir verklagen wollen« und deren Arbeitsweise genau kennen würden.

Was dann folgte, übertraf wohl noch die schlimmsten Befürchtungen: Unter den Dekreten, die Trump unmittelbar erlassen hat, ist etwa die Anweisung, dass die US-Regierung nur zwei Geschlechter – männlich und weiblich – auf Pässen und allen anderen Formularen und Dokumenten sowie in allen Programmen und Mitteilungen anerkennt. Aufgehoben werden auch die Richtlinien des Bildungsministeriums für die Unterstützung und den Schutz von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten (LGBTI). Darüber hinaus wurden die verantwortlichen Bundesbehörden angewiesen, die Angestellten von Diversitätsprogrammen zur Förderung von Minderheiten und Frauen in den Zwangsurlaub zu schicken. Der Vorwurf lautet: Die Programme zu Vielfalt, Teilhabe und Inklusion würden »die Amerikaner nach Ethnien spalten, Steuergelder verschwenden und zu beschämender Diskriminierung führen«, wie es in einer Mitteilung des Bundesamts für Personalverwaltung vom Dienstag hieß. Bis diesen Freitag sollen die Behördenchefs einen schriftlichen Plan für den Personalabbau vorlegen. Schon im Wahlkampf hatte Trump gegen die Diversitätsprogramme gewettert und behauptet, diese würden weiße Menschen diskriminieren – vor allem Männer.

Das Dekret unter dem Namen »Verteidigung der Frauen vor dem Extremismus der Genderideologie und Wiederherstellung der biologischen Wahrheit in der Bundesverwaltung« ignoriert mit der binären Festlegung auf zwei Geschlechter nicht nur Transrealitäten, Intergeschlechtlichkeit kommt erst gar nicht vor. Laut der Intersex Society of North America werde jedoch bei etwa einer von 1.500 bis einer von 2.000 Geburten ein Spezialist für Geschlechtsdifferenzierung hinzugezogen, »aber viel mehr Menschen werden mit subtileren Formen geschlechtsanatomischer Abweichungen geboren, von denen sich einige erst im späteren Leben bemerkbar machen«. Schätzungen gehen davon aus, dass 1,7 Prozent der Menschen intergeschlechtlich geboren werden, berichtete die US-Agentur AP am 27. Juli 2023 – das entspreche etwa 5,6 Millionen US-Bürgern. Grundlage dafür sei eine im American Journal of Human Biology veröffentlichte Studie, in der vier Jahrzehnte medizinischer Literatur von 1955 bis 1998 ausgewertet wurden. Sollte das Dekret in Gesetzesform gegossen werden, würde also nicht nur der Diskriminierung sexueller und geschlechtlicher Minderheiten wieder Tür und Tor geöffnet, sondern auch Zwangsoperationen zur Herstellung biologisch fixierter Zweigeschlechtlichkeit.

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