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Aus: Ausgabe vom 24.01.2025, Seite 15 / Feminismus
Selbstbestimmungsgesetz

Neonazi, jetzt als Frau

Fall Liebich zeigt: So einfach, wie die Rechte das SBGG diskreditieren will, ist es nicht
Von Janka Kluge
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Ob Marla-Svenja Liebich sich selbst jetzt auch als »Transfaschistin« bezeichnet, ist nicht bekannt (Halle, 2.8.2024)

Der deutschlandweit bekannte Neonazi aus Halle hat das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) genutzt, um seinen Vornamen in »Marla-Svenja« und den Geschlechtsantrag in »weiblich« zu ändern. Seitdem die Änderung bekannt ist, gibt es eine öffentliche Auseinandersetzung über die Motivation von Liebich. Natürlich kann auch ein bekannter Neonazi trans sein und sich entschließen, das SBGG zu nutzen, um das für sie richtige Leben zu führen. Wie aufgeschlossen die Neonaziszene auf ein Coming-out reagiert, bleibt abzuwarten.

Diskutiert wird aber auch, ob Liebich das SBGG nutzt, um die angebliche Absurdität des Gesetzes vorzuführen und der Transcommunity zu schaden. Das SBGG hat das bisherige sogenannte Transsexuellengesetz (TSG) abgelöst und durch ein moderneres Gesetz ersetzt. Im TSG waren zwei Gutachten vorgeschrieben, die prüfen sollten, ob das Gefühl, eigentlich dem anderen Geschlecht anzugehören, »seit mindestens drei Jahren« besteht. Diese Gutachten, die von vielen als diskriminierend empfunden wurden, sind beim SBGG weggefallen. Es genügt, einen Antrag beim Standesamt zu stellen, und nach einer Wartezeit von drei Monaten werden der neue Name und der geänderte Personenstand eingetragen.

Das SBGG war eines der umstrittensten Gesetzesprojekte der Ampelkoalition. Kritisiert wurde, dass durch den Wegfall der Gutachten eine Beliebigkeit entstehe und jede Person ungeachtet ihrer Motive das SBGG nutzen könne. Ein weiterer Kritikpunkt ist das Offenbarungsverbot. Niemand darf gegen den Willen mit dem alten Namen und Pronomen angesprochen werden. Sollte es doch geschehen, droht eine Geldstrafe bis zu 10.000 Euro. Allerdings schränkt das Gesetz, was oft übersehen wird, das Offenbarungsverbot bei einer Person des öffentlichen Interesses ein. Sollte also eine bekannte Person sich als trans outen und das SBGG nutzen, muss in der Berichterstattung darüber natürlich stehen, dass die Person, die davor als Mann wahrgenommen wurde, jetzt als Frau lebt. Bei der Bezeichnung mit dem alten Vornamen und den jetzt falschen Pronomen ist laut Gesetz eine bewusst schädigende Absicht notwendig.

Zurück zu Liebich. Noch vor wenigen Jahren demonstrierte Liebich in Halle gegen den CSD und bezeichnete trans Personen als »Transfaschisten«. Die »Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit« schreibt in einer Stellungnahme zu dem Fall: »Wer aber die Zugehörigkeit zur Gruppe transgeschlechtlicher Menschen durch Personenstandsänderung erklärt, nachdem er sie zuvor mit volksverhetzenden Äußerungen bedacht hat und dafür rechtskräftig verurteilt wurde, dem darf man unlautere Motive unterstellen.«

Bereits kurz nach der Namens- und Personenstandsänderung hat Liebich über eine Anwaltskanzlei erklären lassen, ab sofort alle zu verklagen, die den alten Namen und das frühere Pronomen benutzen. Innerhalb von einer Woche haben Medien und Personen, die so über die neue Identität von Liebich berichteten, Unterlassungsklagen bekommen. Etwa Nius, das rechtsoffene Medium von Julian Reichelt, wie dieser auf X schrieb, und die CDU-Politikerin und frühere Familienministerin Kristina Schröder. Nachdem die Kolumnistin des Springer-Mediums bei Welt-TV vor einer Woche über die Transition gesprochen hatte, erhielt sie einen Brief von Liebichs Anwalt. Auf X schrieb sie am Mittwoch, dass sie »eine Unterlassungserklärung unterschreiben und 15.000 Euro ›Schmerzensgeld‹ zahlen« soll.

Pikant ist noch ein anderer Aspekt. Liebich wurde zu einer Gefängnisstrafe von 1,5 Jahren verurteilt. Obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, ist stark davon auszugehen, dass Liebich die Haftstrafe antreten muss. In Medien wird jetzt darüber spekuliert, ob die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt für Männer oder Frauen erfolgt. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung betonte die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) jedoch, dass es keinen Automatismus für Liebich gebe, nach einer Namens- und Personenstandsänderung in den Frauenstrafvollzug zu kommen. Was bleibt, ist: Ein Neonazi bleibt ein Neonazi, egal mit welchen Namen und Pronomen.

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