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Aus: Ausgabe vom 24.01.2025, Seite 16 / Sport
Beim Fananwalt

Das fehlende Video

Von René Lau
Der Fananwalt_Logo ONLINE.jpg

Jeder, der sich nicht viel mit Jura beschäftigt, wird erstaunt sein, wie viele Strafrechtsnormen in anderen Gesetzen versteckt sind und gerade im Zusammenhang mit Fußball eine Rolle spielen. Das Sprengstoffgesetz mit seinen Normen, wann Pyrotechnik benutzt werden darf, kennt man vielleicht noch. Aber das Versammlungsgesetz? Dabei geht es nicht nur um Demonstrationen und dergleichen, auch Fußballspiele gelten nach Rechtsprechung als Veranstaltungen im Sinne des Versammlungsgesetzes. Somit ist es für den Fan nicht ganz unerheblich, wie er sich auf dem Weg zum Spiel, während des Spiels oder auf dem Nachhauseweg verhält oder welche Gegenstände er bei sich hat bzw. wie er sich kleidet. Zieht er etwa einen Schlauchschal ins Gesicht, macht er sich unter Umständen strafbar, weil er aus Sicht der Ordnungshüter seine Identität verschleiert.

Genau so erging es einem Mandanten, der mit seinem Herzensverein in Mannheim war und dort vom Gästeblock aus die Partie verfolgte. Wie üblich gab es zu Beginn des Spiels eine Choreographie, wobei auch Pyrotechnik zum Einsatz kam. Mein Mandant schützte sich mit dem Hochziehen des Schlauchschals vor dem Rauch und den Dämpfen. Das wiederum rief die örtliche Staatsmacht auf den Plan, die sich mit allerlei technisch hochwertigem Gerät im Nachbarblock aufhielt. Selbstverständlich wurde nur ein Foto und nicht ein Video zur Akte gereicht. Schon wurde der Strafbefehl gegen den Mandanten erlassen, er wurde wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verurteilt.

Ich legte Einspruch ein, und es kam zur Hauptverhandlung. Zu dieser wurden Zeugen mitgebracht, auch Fotos zur Akte gereicht. Die geladenen Polizeibeamten waren sehr bemüht, glaubhaft zu machen, dass zum Zeitpunkt der Vermummung von Pyrotechnik nichts zu sehen gewesen war. Nur ließen sich diese Angaben nicht recht mit den anderen Beweismitteln in Übereinstimmung bringen. Fand sich etwa deshalb auch kein Video in der Akte? Im Rahmen eines Rechtsgespräches kam ich mit Richter und Staatsanwalt überein, dass nicht nach dem Video geforscht werden sollte. Statt dessen wurde das Verfahren auf meinen Vorschlag hin eingestellt.

Ein für den Mandanten akzeptables Ergebnis, denn die Kosten blieben im Rahmen. Vor allem bekam er keinen Eintrag im Bundeszentralregister, was für seine berufliche Zukunft wichtig ist.

Wieder einmal beschäftigte mich die Frage, warum ein sicher vorhandenes Video von der Polizei nicht zur Akte gereicht und von der Staatsanwaltschaft nicht angefordert wurde. Doch der Mandant war zufrieden. Das ist das Wichtigste.

»Sport frei!« vom Fananwalt.

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