In kürzester Zeit
Von Kristian Stemmler
Die im vergangenen Jahr wie beiläufig verkündete Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik ab 2026 ist für die Bundesrepublik von ganz erheblicher außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung, ist im laufenden Bundestagswahlkampf aber bislang kaum ein Thema. Ändern will das die im November 2024 gestartete Kampagne »Friedensfähig statt erstschlagfähig«, die von mehr als 40 Organisationen der Friedensbewegung getragen wird. Sie hat nun einen offenen Brief an »alle Kandidierenden zur Bundestagswahl 2025« initiiert, der am Freitag veröffentlicht wurde. Die Folge einer Stationierung dieser Waffensysteme, heißt es in dem Aufruf, wäre nicht mehr Sicherheit, »sondern eine gefährliche Instabilität, in der ein einziger Irrtum oder Fehler ausreicht, um die Welt mitten in einen Atomkrieg zu führen«.
Träger der Kampagne sind unter anderem die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW Deutschland), der katholische Verband Pax Christi, die Tübinger Informationsstelle Militarisierung und die Naturfreunde Deutschland. Unterzeichnet wurde der Aufruf unter anderem von der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann, der Schriftstellerin Daniela Dahn, dem Wissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker, dem Rüstungsexperten Jürgen Grässlin und den Politikwissenschaftlern Werner Ruf und Frank Deppe.
Die zur Stationierung anstehenden Waffensysteme, heißt es in dem Schreiben, seien Teil einer Strategie der USA, binnen kürzester Zeit jeden Ort der Welt angreifen zu können (Conventional Prompt Global Strike), und deckten »fast den kompletten europäischen Teil Russlands ab«. Es handele sich, so der Brief, um »schnelle, präzise und schwer abzufangende Mittelstreckenwaffen«. Von deutschem Boden aus könnten die USA mit ihnen binnen Minuten – also nahezu ohne Vorwarnzeit – »strategische Ziele wie Raketensilos, Kommandozentralen, Entscheidungszentren und auch Frühwarnsysteme in Russland zerstören«. Russland werde darauf reagieren.
Scharfe Kritik wird im Aufruf daran geübt, dass die Entscheidung zur Stationierung der Raketen »ohne jede öffentliche Begründung oder Debatte getroffen wurde«. Der Bundestag sei nicht beteiligt worden. Hingewiesen wird auch darauf, dass die Stationierung nicht im Rahmen der NATO, »sondern bilateral zwischen den USA und Deutschland vereinbart wurde«. Folge sei, dass »Deutschland alleiniges Ziel eines möglichen Gegenschlages« sein werde. Außerdem habe die Ankündigung für die Stationierung – anders als noch der NATO-Doppelbeschluss von 1979 – kein formelles Verhandlungsangebot über einen beidseitigen Verzicht auf solche Waffen enthalten.
Von den Kandidierenden bei der Bundestagswahl fordern die Unterzeichner, sich mit Nachdruck für neue Verhandlungen über Rüstungskontrolle und die Abrüstung aller Mittelstreckenwaffen einzusetzen und sich »zum mittelfristigen Ziel einer neuen Friedensordnung in Europa zu bekennen«. Der Brief verweist auf den INF-Vertrag, der die Vernichtung und das Verbot einer ganzen Waffengattung in der Sowjetunion und den USA zur Folge gehabt habe. Das Signal für neue Initiativen der Rüstungskontrolle und des Dialogs müsse jetzt aus Berlin kommen.
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