»Wir brauchen kein neues Gefängnis«
Interview: Gitta DüperthalDas Land NRW will ein neues Abschiebegefängnis in Mönchengladbach bauen. Was genau plant die Landesregierung von CDU und Grünen?
Die Landesregierung hat vor, auf einem ehemaligen Militärgelände ein Abschiebegefängnis zu errichten, das etwa für 150 Personen Platz bieten soll. Besonders zynisch ist, dass es dort unmittelbar neben einer Erstaufnahmeeinrichtung stehen soll. Neu ankommenden Geflüchteten soll so demonstriert werden, was mit ihnen passiert, wenn ihr Antrag auf Asyl abgelehnt wird: Wenige Schritte entfernt ist der Knast, aus dem heraus abgeschoben wird. Der Bau soll etwa 300 Millionen Euro kosten. Wir kritisieren das, weil wir Abschiebehaft generell ablehnen. Dazu kommt: Die Landesregierung muss im Haushalt sparen, und tut es auch, etwa bei der Beratung für Geflüchtete. Aber für den Knast ist sehr viel Geld vorgesehen. Es gibt schlicht keinen Bedarf dafür. Der Abschiebeknast in Büren ist nicht ausgelastet. Dort gibt es 175 Plätze, davon sind nur etwa 100 belegt. Wir brauchen kein neues Gefängnis.
Wie ist zu erklären, dass die Ministerin für Flucht und Integration, Josefine Paul von den Grünen, solche Pläne hegt?
Die Grünen lassen sich von der CDU bei der Flüchtlingspolitik vor sich her treiben. Sukzessive räumen sie ehemalige humanitäre Positionen ab. Schlimmer noch: Statt bei ihren Plänen, den Knast zu bauen, transparent vorzugehen, setzen sie auf größtmögliche Geheimhaltung. Beim Treffen Ende November 2024 versicherte man uns vom Ministerium Flucht und Integration, es gebe keine konkreten Baupläne. Als sie kurz darauf bekannt wurden, kam die Absage: Mit den Aktiven unseres Bündnisses gegen Abschiebehaft wolle man nicht im Gespräch bleiben. Man bevorzuge den Beirat der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren als Gesprächspartner. Wen wundert es, denn der hat eine Verschwiegenheitspflicht! Doch auch mit dem Beirat fand bislang kein Gespräch statt.
In einer Mitteilung schreiben Sie, dass Sie hinter den Plänen ein Wahlkampfmanöver vermuten.
Quer durch das gesamte Parteienspektrum gibt es in der Geflüchtetenpolitik einen enormen Rechtsruck. Ich erinnere mich noch an die Empörung über die Rede des AfD-Politikers Alexander Gauland im Jahr 2017, der über Bundespolitiker sagte: »Wir werden sie jagen.« Dazu gehören immer zwei: jene, die jagen, und die, die sich jagen lassen. In den Parlamenten sind kaum noch Abgeordnete bereit, über das Thema vernünftig nachzudenken.
Die Baukosten hätten besser investiert werden können, etwa für Jugendeinrichtungen oder den Ausbau von Flüchtlingsberatungsdiensten.
Dazu gibt es kaum Diskussionsbereitschaft, im Gegenteil! Die Mittel für Beratung von Wohlfahrtsverbänden zur Perspektive von Geflüchteten wurde gekürzt. Mit Fragen stehen sie allein da: Hat es Sinn, den Asylantrag zu stellen? Welche Chancen gibt es für mich? Positive Nachrichten könnten auch sein: Wir bauen eine Kindereinrichtung und stellen dafür Personal ein. Statt dessen rennt man, ohne nachzudenken, den Populisten hinterher – und sucht nach Schuldigen.
Ihr Verein setzt sich aktiv für Betroffene ein. Wie nehmen Geflüchtete die sich zuspitzende Abwehrhaltung gegen sie wahr?
Sie spüren, wie sich der Wind in Deutschland gedreht hat. Um schneller abzuschieben, greift man obendrein auf die zu, an die man schneller herankommt: gut integrierte Menschen, die eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle haben und ordnungsgemäß gemeldet sind.
Ist eine Abkehr von dem Bauvorhaben noch möglich?
Mit unserer Öffentlichkeitsarbeit wollen wir den Widerstand unterstützen, der sich in der Bevölkerung in Mönchengladbach regt. Das könnte Einfluss auf den Stadtrat dort haben. Bisher liegt noch keine Baugenehmigung vor.
Frank Gockel ist aktiv im Bundesfachverband zur Unterstützung von Menschen in Abschiebehaft und Sprecher des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren
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