Die Zauberlehrlinge und die Besen
Von Hagen Bonn
Die Staatsdemos gegen rechts fischen weiter im Drüben. Vielleicht ist es da nur folgerichtig, wenn ein »Lichtermeer gegen den Rechtsruck« entzündet wird? Vor genau einem Jahr schwappte die erste Welle dieser staatlich einbestellten Kundgebungen über Deutschland hinweg, nun wiederholt sich das Ganze. Aufgerufen haben Parteien, Gewerkschaften und die üblichen Verdächtigen wie unter anderem das durch Staatsfinanzen gut ausgestattete »Recherchenetzwerk Correctiv«, aber auch »Eltern gegen rechts«, Fridays for Future und etliche örtliche Bündnisse. Und ja, die »Tagesschau« und Bild werden im Kampf gegen: »Hass, Hetze und Desinformation« glühend Bericht erstatten. Der Rest des Meinungstrosses folgt so sicher wie das Amen in der Kirche. Habe ich gerade Kirche gesagt? Die sind natürlich auch dabei.
Es geht den Staatsantifas, man höre und staune, um eine »wehrhafte Demokratie«! Hatten wir die nicht schon? Verhaftungswellen, Berufsverbote, Notstandsgesetze. Ja, das sind die Rezepte der neuen Antifa. »Eine neue Regierung muss alles für ein Verbot verfassungsfeindlicher Strukturen unternehmen und Demokratieinitiativen überall im Land umfassend fördern«, lesen wir im Berliner Aufruf vom Wochenende. Verfassungsfeindliche Strukturen? Da kann doch nur Minister Pistorius gemeint sein, der uns gegen den Wortlaut des Grundgesetzes »kriegstauglich« machen will. Reden wir Klartext: Diese Fackelmärsche sind gefährlich, weil sie krude Augenwischerei betreiben, wenn der Zusammenhang von Faschismus und Krieg nicht benannt wird. Und wo die Bundesregierung und die etablierten Parteien, mit homöopathischen Ausnahmen, Zustände geschaffen haben, die von sozialer Kälte, Entsolidarisierung und Endzeitstimmung geprägt sind. Wo also der Zauberlehrling die Besen dazu aufruft, wehrhaft gegen den Hexenmeister vorzugehen.
Genau diese Umkehrung ins Gegenteil hat den deutschen Nazis den Weg in ihr »tausendjähriges Reich« geebnet. Nicht das Großkapital drückte den Mittelstand – der Jude war’s. Nicht der Fabrikherr entlässt in die Arbeitslosigkeit – nein, die volksfeindlichen und spalterischen Gewerkschaften! Wo, frage ich, steht bei den Demoinitiatoren die Friedensfrage? All die Jecken schunkeln im Dunkeln und rufen wie im Karneval: Draußen steht der Krieg – wollen wir ihn reinlassen? Der Scheinkampf der Identitäten in diesen zerfaserten Demobündnissen ersetzt mittlerweile den Klassenkampf der Massen gegen Sozialabbau und Krieg vollständig. Auch Verdi hat zu diesen Demos aufgerufen. Aber schweigt zum Thema Kriegskurs.
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Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (30. Januar 2025 um 12:35 Uhr)Aus gutem Grunde muss man heutzutage ehrliche Antifaschisten von Staatsantifanten unterscheiden. Letztere haben sich mit Aufrüstung bestens arrangiert, pöbeln aber gegen Kriegsgegner irgendwas mit »rääächts«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (28. Januar 2025 um 12:49 Uhr)Von Oskar Lafontaine stammt die Feststellung, die wirklichen Faschisten säßen längst in der Regierung. Hagen Bonn hat völlig recht: Wenn die dazu aufrufen, gegen die Ultrarechten zu demonstrieren, dann sollten wir dort nicht hingehen. Denn dort wird gutgläubiges bürgerschaftliches Engagement lediglich als Nebelvorhang genutzt, hinter dem sich die aktuell schon verzapften Sauereien der bereits Regierenden bestens verbergen lassen. Wenn die rufen »Haltet den Dieb!«, müssen wir ja nicht lossprinten, ohne vorher nachzudenken.
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