Sozialpartnerschaft auf Kriegskurs
Von David MaiwaldDie Bundesrepublik ist auf Kriegskurs. Bislang gibt es keine Friedenskraft, die sich ihr wirksam in den Weg stellt. Mit der Tarifrunde im öffentlichen Dienst befindet sich die Gewerkschaft Verdi mit dem Beamtenbund (BB) aktuell in einem zentralen Verteilungskampf um die Verwendung von Bundesmitteln. Dort stellt sich auch ganz konkret die Frage nach Krieg und Frieden: Wieviel wird etwa für die personelle Ausstattung von Schulen und Kindergärten, des Nahverkehrs, für Krankenhäuser und Pflege sowie für Abfallentsorgung und Straßenreinigung bereitgestellt – und wieviel für die Rüstung?
Diese »Finanzierung der militärischen Friedenssicherung« – wie der DGB-Vorstand es im Initiativantrag zu seinem Bundeskongress im Jahr 2022 ausdrückte – dürfe »weder zulasten der dringend erforderlichen Zukunftsinvestitionen in die sozial-ökologische Transformation noch zulasten der Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats« gehen. Nun, beinahe drei Jahre später, orientiert sich die Finanzplanung der Bundesrepublik für die kommenden Jahre vor allem am Anspruch, »kriegstüchtig« zu werden. Anstelle verstärkter Investitionen in den Sozialstaat stehen Kürzungen an, das ist quer durch die im DGB vereinten Gewerkschaften bekannt.
»Die Auswirkungen von Krieg, Energiekrise und Klimawandel« würden von den Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufgefangen, während dort gleichzeitig 500.000 offene Stellen unbesetzt blieben, argumentiert Verdi nun zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst. Die Darstellung eines Zusammenhangs von klammen Kassen bei der Daseinsfürsorge und der gleichzeitigen Beschaffung von Munition, Panzern und Kanonenbooten durch Rüstungsmilliarden findet sich in den Äußerungen von Verdi bislang nicht. Friedensbewegte Gewerkschafter an der Basis bemühen sich allerdings immer wieder genau darum, so etwa Verdi Stuttgart mit einer friedenspolitischen Gewerkschaftskonferenz im Juni oder die Münchner Bezirke von Verdi und GEW mit dem Aufruf »Soziales rauf, Rüstung runter« im Oktober 2024.
Diese Orientierung steht innerhalb des DGB deutlich im Konflikt mit der großen Schwestergewerkschaft IG Metall, die sich am Münchner Aufruf – durch Stimmen von Rüstungsbeschäftigten – nicht beteiligen wollte. In den vergangenen Jahren forderte die IG Metall immer wieder »Planungssicherheit« oder »Perspektiven«, sprach sich mit dem Rüstungslobbyverband BDSV unter dem Titel »Souveränität und Resilienz sichern« für eine verstärkte Rüstungsproduktion aus.
Eine jW-Anfrage zu Rüstungskonversion und dem Gegensatz von Aufrüstungs- und Sozialpolitik gab der Gewerkschaftsvorstand an den IGM-Bezirk Küste weiter. Es gehe der IG Metall »nicht um eine ziellose Aufrüstung«, sondern um »eine angemessene Ausrüstung der Marine«, gab man dort zur Antwort. Das gelte »gerade mit Blick auf die aktuelle Zuspitzung der Gefahrenlage in der Ostsee oder in den Meeren in Asien«. Erst vergangene Woche hatte Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) unter Verweis auf die »erkennbar andere Sicherheitslage in Nord- und Ostsee« einen Flottenausbau und »moderne Schiffe für die Marine« gefordert.
Es scheint, als verberge sich der Ruf nach Rüstungsausgaben auch im maritimen Bereich hinter dem nach einer »aktiven Industriepolitik«, wie sie Daniel Friedrich, IGM-Bezirksleiter Küste, im vergangenen August forderte. Es gelte, Konverterplattformen für Windparks auf offener See zu bauen »oder auch die Marine gut auszurüsten«, sagte Friedrich damals. Im Fokus der Gewerkschaft stehen die drei großen Werftbetreiber – TKMS, die Bremer Lürssen-Gruppe und die mittlerweile verstaatlichte Meyer-Werft. Während die zwei erstgenannten schon jetzt für einen Großteil der maritimen Rüstungsproduktion verantwortlich zeichnen, dürfte auch Meyer bald ins Geschäft mit den Kriegsschiffen einsteigen.
»Nicht nur, aber auch wegen der Mehrausgaben bei der Bundeswehr«, kämpfe die IG Metall gegen Sozialabbau, hieß es vom Küstenbezirk gegenüber jW. Anfallende »Zusatzkosten« dürften »nicht in anderen sozialen Bereichen eingespart werden«. Man streite schließlich auch für den Bau von Konverterplattformen auf den Werften, ebenso wie »für Forschungsschiffe wie die Polarstern II«, ein Eisbrecher der Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS), der in Wismar gebaut wird. Hier sei »eine Reform der Schuldenbremse oder ein zusätzliches Sondervermögen notwendig«.
Schon vor der Übernahme des insolventen MV-Werften-Standorts in Wismar hatte die IG Metall gerne über eine mögliche TKMS-Produktion von Konverterplattformen gesprochen. Nach einem Milliardenauftrag wird TKMS dort wohl in erster Linie U-Boote bauen. Für einen neuen U-Boot-Auftrag der argentinischen Marine habe der Bund Sicherheiten bereitgestellt, berichtete Reuters am Mittwoch. TKMS ist hierzulande der einzige U-Boot-Produzent – der auch ein Polarforschungsschiff baut. Ein Hinweis auf Rüstungskonversion im Schiffbau ist das sicher nicht, auch wenn der ehemalige IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann dort im März 2022 Potential für eine »sinnvolle und nachhaltige« Produktion ausgemacht haben wollte. Da war allerdings erst ein paar Tage »Zeitenwende«.
Hintergrund: Waffenexporte können blockiert werden
Griechische und italienische Hafengewerkschaften machen immer wieder positiv auf sich aufmerksam, weil sie Waffenlieferungen aufspüren und verhindern. Ähnliches hat die Svenska Hamnarbetarförbundet bzw. die Swedish Dockworkers Union (SDU) vor. Ihre Blockade von Militärlieferungen nach und aus Israel sollte am Dienstag beginnen. Nun hat die Schwedische Hafenarbeitergewerkschaft sie aber auf den 4. Februar verschoben. Sie wolle noch eine Entscheidung des Arbeitsgerichts abwarten, hieß es. Am 23. Januar gab das Arbeitsgericht bekannt, dass die Beweislage noch nicht ausreiche, um zu beurteilen, ob die angekündigte Blockade legal ist oder nicht. Die SDU ist jedoch zuversichtlich, dass das Gericht zugunsten der Gewerkschaft entscheiden wird, wie Erik Helgeson, stellvertretender Vorsitzender der SDU, gegenüber jW erklärte.
Der Beschluss zur Blockade wurde von den Mitgliedern der Hafenarbeitergewerkschaft in einer Abstimmung vor Weihnachten gefasst. »Wir wollen nicht dazu beitragen, einen Handelsaustausch mit Israel aufrechtzuerhalten, der in irgendeiner Weise mutmaßliche Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschheit erleichtert oder verlängert«, heißt es von Seiten der Gewerkschaft.
Bereits kurz nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 blockierte die SDU für mehrere Wochen erfolgreich Lieferungen von und nach Russland. Die Gewerkschaft war der EU in Sachen Sanktionen damals voraus. Dass es diesmal wieder so einfach werden wird, ist nicht ausgemacht. (sk)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (30. Januar 2025 um 09:53 Uhr)Und vollkommen schräg und absolut weltfremd, inhuman, rein profitorientiert, lieber Herr Maiwald, isses, Waffen dorthin zu verkaufen, wo sich bekriegt, bekämpft und abgeschlachtet wird. Das ist der entscheidende Punkt. Eine Frage: Wollen die Millionen Menschen in der Ukraine diesen Krieg? Oder hat sich inzwischen herumgesprochen, wer ihn angezettelt hat, und dass er, wie Brzezinski schon vor Jahrzehnten darstellte, den europäischen Vasallen als Tribut nur zusteht? Bei der Gelegenheit: Wenn ich Oswiecim überlebt hätte, würde ich wen auf keinen Fall einladen?
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