Gegründet 1947 Freitag, 31. Januar 2025, Nr. 26
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 30.01.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

jW_Leserbriefe_Standart.jpg

Der gemeinsame Kampf

Zu jW vom 23., 24.–26., 27.12.: »Namibia ­gestern und heute« (Dreiteiler)

Liebe junge Welt,

obwohl ich von einer deutschen Kolonialfamilie aus Namibia abstamme, fühle ich mich wohler, wenn ich auf englisch schreibe (Übersetzung: jW).

Gestatten Sie mir, Ihnen für die drei Artikel von Ursula Trüper zu danken, die Sie im Dezember 2024 veröffentlicht haben. Sie helfen jenen weißen Menschen hier im südlichen Afrika, aber auch in der Welt, die koloniale Verbrechen begangen haben, sich unserer Erbschuld zu stellen, so wie denjenigen, an denen die Verbrechen begangen wurden, die heute noch traumatisiert sind von der Unmenschlichkeit des Kolonialismus.

Hier am südlichen Kap Afrikas, von wo aus ich schreibe, haben große Teile der »Weißen« das koloniale Erbe der Gesellschaften, denen sie entstammen, nicht akzeptiert und daher auch keine Reue gezeigt. Weder in Namibia noch in Südafrika wurde die Landenteignung rückgängig gemacht oder auf sinnvolle Weise angegangen. Dabei geht es nicht nur um Land. Die koloniale Vergangenheit hat eine Klasse auf Kosten der anderen bereichert, und daher liegt die große Macht weiterhin bei denen, die uns einst kolonisiert haben.

Ich bin ein Nachkomme dieser Kolonialklasse, meine Vorfahren waren Missionare. Ich hatte das Glück, dass mir schon in jungen Jahren die Augen geöffnet wurden, und bin für immer dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, unter anderem mit dem Black-Consciousness-Philosophen Steve ­Biko zusammenzuarbeiten. 1974 wurde ich von den Mandelas zum Vormund ihrer beiden Töchter Zenani und Zindzi ernannt, als Winnie eine erneute Haftstrafe antreten musste. Dafür habe ich 1975 selbst eine Haftstrafe verbüßt. Aber die Aufgabe, das koloniale Erbe zu überwinden, ist nicht vorbei. Zwar bin ich mittlerweile im hohen Alter, fordere das koloniale Denken aber weiterhin heraus. Es zeigt sich in recycelter Form, etwa durch Trump in den USA, durch die wieder aufkommenden rechten Kräfte in Europa oder durch die alten Eliten hier in Afrika.

Danke, junge Welt, dass unser Kampf auch euer Kampf ist!

Horst Kleinschmidt, Kapstadt (Südafrika)

»Perverse Revision der Geschichte«

Zu jW vom 27.1.: »Sündenbock der Nazienkel«

Man kann sich das nicht ausdenken. Anno 2025, am 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, wird in Deutschland einem jüdischen Filmemacher und Aktivisten der Prozess gemacht. Passend dazu: Zur Gedenkveranstaltung im polnischen Oświęcim selbst werden die Erben bzw. Nachfolger der Befreier des KZ nicht eingeladen, dafür aber jene der Erbauer des Vernichtungslagers. Wenn mir das jemand vor 20, 30 Jahren prophezeit hätte, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Offenbar ist diese unverfrorene, perverse Revision der Geschichte heute Realität in ­Europa.

Detlev Reichel, Tshwane (Südafrika)

Anbiederung?

Zu jW vom 27.1.: »Neue deutsche Härte«

Man möchte es kaum glauben, aber das BSW will der Symbolpolitik eines Friedrich Merz in der aktuellen Asyldebatte zustimmen. Der neuen deutschen Härte der CDU sowohl in der Behandlung von Migrantinnen und Migranten als auch der fast grenzenlosen Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern will eine Partei ihren Segen geben, die angetreten war, die illusionäre Wertepolitik ernsthaft in Frage zu stellen. Es kommt der Verdacht auf, Sahra Wagenknecht will einen ersten Schritt für eine mögliche Regierungsbeteiligung gehen. Was soll diese Anbiederung an die sogenannte politische Mitte und deren Geheimdienste und das in Aussicht gestellte Pro für CDU-Anträge, die dem Grundgesetz und dem EU-Recht offensichtlich widersprechen?

Selbst die SPD und die Grünen haben begründete Bedenken, dieser populistischen Verschärfung der Migrations- und Sicherheitspolitik zustimmen zu sollen. Es scheint sich nunmehr zu rächen, dass das BSW ein völlig unklares Programm zur Existenz und zum Fortbestand des kapitalistischen Gesellschaftsmodells hat. Wagenknecht bejaht die soziale Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard, die bekanntermaßen auf die Aneignung des Mehrwertes durch wenige gründet, und will gleichzeitig einen sozial gerechteren Staat für alle Bürgerinnen und Bürger. Ein unlösbarer Widerspruch. Der Niedergang vom Gipfel kommunistischer Ideale zur weiteren schrittweisen Unterstützung herrschender politischer und ökonomischer Grundüberzeugungen schreitet nunmehr deutlich fort.

Raimon Brete und Matthias Schwander, Chemnitz

»Belastet Kreise und Kommunen«

Zu jW vom 27.1.: »Neue deutsche Härte«

Das BSW hat recht. Die seit 2015 grassierende, unkontrollierte Migration belastet Kreise und Kommunen. Zahlreiche ausreisepflichtige Personen werden mehrfach straffällig und tauchen dann einfach unter. Dies erfordert eine Korrektur, wie sie viele europäische Staaten bereits vorgenommen haben. In den USA hat sich Bernie Sanders ebenfalls gegen unregulierte Einwanderung ausgesprochen (…). Wer das BSW an der Fünfprozenthürde scheitern sehen möchte, nimmt in Kauf, dass dann der Mandatsanteil der AfD noch etwas höher ausfällt.

Hans Wiepert, Berlin

Räuberpistolen

Zu jW vom 28.1.: »Krimis für Kuczynski«

Das Interesse von Jürgen Kuczynski an Kriminalgeschichten war trotz seiner ansonsten wissenschaftlich völlig anders ausgerichteten Tätigkeit groß. Er sprach gern von »Detektivromanen«, die er unter anderem Anfang der 1950er Jahre mit Bertolt Brecht austauschte. Manchmal habe die wechselseitige Übergabe der Hefte bzw. Bücher wortlos an seiner Haustür stattgefunden. Während er das erzählte, lächelte er so schelmisch, dass es geradezu ansteckend wirkte. Ich denke gern daran zurück.

Ralph Dobrawa, Gotha

Jürgen Kuczynski sprach gern von »Detektivromanen«, die er unter anderem Anfang der 1950er Jahre mit Bertolt Brecht austauschte.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!