»Sie war zeitlebens Kommunistin«
Berta Backof war eine Nürnbergerin, die ab 1933 Widerstand gegen den Nazifaschismus leistete. Wie kamen Sie dazu, ihre Geschichte sichtbar zu machen?
Ingrid Artus: In meinem Fall ist der Zugang ein familiärer: Berta Backof war meine Großtante. Ich fand ihre Geschichte so interessant, dass ich sie der Nachwelt nicht vorenthalten konnte. Ich hatte ein Interview mit ihr geführt und konnte somit auf Quellenmaterial zurückgreifen. Als Historikerin setzte sich Nadja Bennewitz zeitgleich mit der regionalen Frauen- und Arbeiterinnengeschichte auseinander.
Nadja Bennewitz: Im Zuge der Beschäftigung mit der Industrialisierung Nürnbergs bin ich auf Interviews mit Arbeitern im Museum Industriekultur gestoßen – darunter auch eines mit Berta Backof. Sie erschien mir als starke Persönlichkeit, die selbstbewusst von ihrer Politisierung als Jugendliche in der Weimarer Zeit und ihrem daraus folgenden Widerstand gegen die Nazis berichtete.
Wie hat sich die gemeinsame Recherche entwickelt?
N. B.: Unser Ausgangsmaterial war das auditive Material: Wir hatten zwei Originalinterviews mit Backof und damit Erzählungen von ihr selbst. An einem der Interviews fällt auf, dass im Hintergrund ein Mann spricht. Durch Recherchen fanden wir heraus, dass es sich dabei um Sepp Blöth handelt. Er war ebenfalls ein wichtiger Antifaschist und Kommunist in der Region.
Sie betonen, dass Backof nicht als Widerstandskämpferin geboren wurde. Wie hat sie zum Kommunismus gefunden?
I. A.: Backof kam nicht aus einem proletarischen Elternhaus. Ihr Vater war ein Schlosser vom Land, der im Ersten Weltkrieg schwer verwundet worden war und früh starb. Ihre Mutter war katholisch und wollte sie bürgerlich erziehen. Backof handelte gegen den Willen ihrer Mutter. Sie war zeitlebens überzeugte Kommunistin und nach dem Zweiten Weltkrieg als Nachwuchskader der KPD stellvertretende Parteivorsitzende in Fürth. Zwischen 1949 und 1952 wurde die westdeutsche KPD auf Moskau-Linie gebracht, innerhalb der Partei tobte ein Richtungsstreit. Backof und Blöth waren nicht allein in ihrem Protest gegen die Neuausrichtung der Partei, zeitgleich gab es auch im Ruhrgebiet Parteiausschlüsse. Sie wollten vor Ort bestimmen, was in Fürth die sinnvolle Linie ist und haben ein Parteiprogramm für die Stadtratswahlen geschrieben, das in Teilen nicht der KPD-Linie entsprach. Von der bayerischen KP-Leitung wurde das Fürther Parteiprogramm dann in einigen Punkten verändert. Backof hat zentralisierte Parteistrukturen durchaus befürwortet – und vielleicht war der Ausschluss im Jahr 1952 für sie auch deshalb so dramatisch.
N. B.: Im Buch haben wir versucht, diesen Ambivalenzen und Ambiguitäten im Kleinen nachzugehen. Backhof war nicht prinzipiell gegen die KPD-Linie, die Partei war ihre Familie und ihre Organisation. Sie teilte deren Ausrichtung. Es war ihr allerdings auch wichtig, dass die KPD in Fürth weiterhin eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung hatte.
Wurde Berta Backof innerhalb der Partei auch als Frau diskriminiert?
I. A.: Sie war mit einem etablierten KPD-Mitglied verheiratet, und die Partei legte ihr nahe, sich scheiden zu lassen. Parallel zum Parteiausschlussverfahren lief Berta Backofs Scheidungs-verhandlung. Währenddessen bezeugte ein Parteimitglied, dass sie als Parteisekretärin ihre Familienpflichten vernachlässigt hätte. Frauen konnten damals schuldhaft geschieden werden, wenn sie die Hausarbeit verweigerten – das ist ein Aspekt, der unter Geschlechterdiskriminierung fällt.
Haben Sie mit Ihrem Buch eine Heldinnengeschichte »von unten« geschrieben?
N. B.: Zum Teil sicherlich, denn es war uns wichtig, eine »ganz normale Frau« hervorzuheben, die in wichtigen Situationen ihres Lebens Partei für die richtige Seite ergriff und dabei viel riskiert hat. Eigentlich aber lehne ich Heldengeschichten ab. Gerade weil es um das Leben der »kleinen Angestellten« Backof geht, bietet diese Geschichte durchaus Möglichkeiten, sich mit ihr zu identifizieren, eben weil sie eine war wie du und ich.
I. A.: Für mich ging es darum, einen Ausschnitt weiblicher Widerstandsgeschichte im Faschismus zu beschreiben, einen Ausschnitt, der hier in der Region Nürnberg/Fürth von besonderer Bedeutung war, der aber auch Teil »unserer« Geschichte ist – als Teil der Geschichte der antikapitalistischen und antifaschistischen Linken. Ich selbst komme eher aus der autonomen, antiautoritären Bewegung, nicht unbedingt aus der kommunistischen Richtung. Deswegen hatte ich auch nie ein Problem mit Backofs Parteiausschluss.
Ingrid Artus ist Professorin für Sozio-logie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Nadja Bennewitz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Didaktik der Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg
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