Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Sa. / So., 08. / 9. Februar 2025, Nr. 33
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 08.02.2025, Seite 2 / Inland
Kriegsvorbereitung

»Das deckt gefährliche Planungen auf«

»Grünbuch zur Zivil-Militärischen Zusammenarbeit im Kriegsfall« veröffentlicht. Ein Gespräch mit André Hahn
Interview: Gitta Düperthal
imago202696205.jpg
Auch in Schulen macht die Bundeswehr Werbung (Emmerich, 15.2.2023)

In dem kürzlich veröffentlichten »Grünbuch Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) 4.0« wird ein Kriegsszenario durchgespielt: Die NATO geht mit 800.000 Soldaten an der Ostflanke »all in« und organisiert »den Einsatz innerhalb von 180 Tagen«. Sie sind Mitherausgeber. Die Entscheidung dazu sei Ihnen nicht leichtgefallen, sagen Sie. Warum haben Sie sich trotzdem dafür entschieden?

Die Denkfabrik »Zukunftsforum öffentliche Sicherheit«, Zoes, publizierte mehrere thematische »Grünbücher« zu Katastrophenszenarien. Das aktuelle liest sich wie eine Wunschliste des Militärs, wie Zivilgesellschaft und Verwaltung künftig zu funktionieren haben, um Kriegführung zu unterstützen. Es wird an alle derzeitigen und künftigen Mitglieder des Bundestags verschickt, an die Länder, Städte und Kommunen. Es verdeutlicht, wie weit fortgeschritten die Kriegsvorbereitungen schon sind, und macht die Debatte zum weitgehend geheimgehaltenen »Oplan« (Operationsplan Deutschland, jW) zur Verteidigung Deutschlands teils öffentlich. So lässt sich erahnen, wieviel Militär an die »Ostfront« soll und was im Kriegsfall auf die deutsche Bevölkerung zukommt. Wir von Die Linke sind gegen diese Entwicklung, wünschen uns Verhandlungen und mehr Diplomatie, um Frieden zu schaffen.

In der Publikation werden mögliche Szenarien geschildert: erhöhte Polizeipräsenz im Fall von Protesten, ausgeweitete Tätigkeitsfelder des Inlandsgeheimdienstes, die Nutzbarmachung von Verkehrswegen für Militärs, nachrangige medizinische Versorgung der Zivilbevölkerung.

Das Buch verkauft bedrohlichen Demokratieabbau so: Wenn die heraufbeschworene Kriegslage es erfordere, sei es eine Notwendigkeit, autoritärer aufzutreten. Beunruhigend ist das Szenario im medizinischen Bereich. Für Krankenhäuser, Apotheken, Ärzte, wo bereits jetzt Mangel vorherrscht, bestimmt im konstruierten Kriegsfall das Militär den Vorrang für verwundete Soldaten. Auch im Fall der aktuell schon chronisch überlasteten Bahn soll Vorzug von Militärs und Waffentransporten gelten. Das würde den weitgehenden Zusammenbruch des zivilen Lebens bedeuten. Man kann also nicht mehr davon reden, der Krieg spiele sich dann irgendwo außerhalb Deutschlands ab.

Wie ist es einzuordnen, wenn der Bundestagsabgeordnete Leon Eckert von Bündnis 90/Die Grünen, ebenfalls Herausgeber der Publikation, sich in Kriegsvorbereitung wähnt? »Menschen in den Unternehmen, Verwaltungen oder zivilen Einzelorganisationen leisten im Ernstfall einen unverzichtbaren Beitrag für die Sicherheit der Menschen in Deutschland«, wird er in dem Buch zitiert.

Das müssen Sie ihn selbst fragen. Er gibt damit aber den Stand der Debatte im Verteidigungsministerium wieder. Das Innenministerium und der komplette Zivilschutz sollen ins Boot geholt werden und im Kriegsfall einfach funktionieren. Es irritiert, wenn bereits mit konkreten Daten gearbeitet wird und Maßnahmen angekündigt sind, die jetzt noch gar nicht möglich wären, weil dafür erst noch Gesetze geschaffen werden müssten.

Wie kann die Kriegstüchtigkeit verhindert werden?

Der Linke-Vorsitzende Jan van Aken betont, wie wichtig es ist, zu verhandeln, um den Krieg gegen die Ukraine zu beenden, und welche relevante Rolle China dabei einnehmen könnte. Da sich aber alle maßgeblichen Wirtschaftsnationen auf einen großen Krieg vorbereiten und Verteidigungskosten erhöhen, finden mahnende Stimmen leider kaum Gehör.

Hätten Sie die Herausgeberschaft an der Publikation, die einen fiktiven NATO-Einsatz im Mai 2030 schildert, nicht verweigern können? Es entspricht der Kommunikationsstrategie des Militärs, durch solche Szenarien einen Gewöhnungsprozess bei der Bevölkerung zu fördern.

Dieses Grünbuch deckt gefährliche militärische Planungen auf. Mir war diese Transparenz wichtig. Dass die Herausgeber vom Zoes-Beirat die Pläne nicht unbedingt vertreten, ist im Text manifestiert. Wir hoffen, dass viele Menschen dagegen auf die Straße gehen werden. Widerstand ist notwendig, zumal ja offen ist, wie die nächste Bundesregierung aussieht und wie diese mit den Plänen umgeht. Eine konservative, extrem rechte Koalition oder gar eine rechtsradikale Regierung könnten besagten Demokratieabbau noch stärker missbrauchen. Auf diese Gefahren aufmerksam zu machen, ist mir ein Anliegen.

André Hahn ist stellvertretender Vorsitzender und Sprecher für Zivilschutz und Katastrophenhilfe der Gruppe Die Linke im Bundestag

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • An der NATO-Übung »Tiger Meet« nahm auch die Schweizer Fliegerst...
    05.02.2025

    Eidgenossen auf Linie gebracht

    Die Schweiz soll näher an die NATO heranrücken. Die Kosten werden auf die Kantone abgewälzt
  • Alexander Sollfrank (Berlin, 22.4.2024)
    31.01.2025

    Politisierende Generäle

    Chef des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr sieht Land »nicht mehr im Frieden«
  • Alle mit am Start: Veranstaltung »Zivile Verteidigung: Herausfor...
    30.01.2025

    Den Krieg mitgestalten

    Auf dem Weg in die patriotische Gemeinschaft: Militärexperten und öffentliche Intellektuelle über die Einbindung der zivilen Gesellschaft

Mehr aus: Inland