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Aus: Ausgabe vom 22.02.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Nahverkehr in Österreich

Wiens Busfahrer im Ausstand

Warnstreiks an 100 Standorten nach vier ergebnislosen Tarifverhandlungsrunden in Österreich. Bosse drohen, Klimabewegung unterstützt
Von Dieter Reinisch, Wien
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Streik vor dem Werktor, damit die restliche Belegschaft sich solidarisiert (Wien, 20.2.2025)

Wien, drei Uhr frühmorgens, minus vier Grad, »gefühlt minus neun« heißt es in der Wetter-App. Ein gutes Dutzend Aktivisten hat sich am Donnerstag trotz der widrigen Umstände am Wiener Praterstern versammelt. Sie wollen den Kampf der Busfahrer bei der Garage des Busunternehmens Dr. Richard unterstützen. Über 100 Standorte privater Busunternehmen bestreiken die Gewerkschaft Vida und das Bündnis »Wir fahren gemeinsam« erstmals. 12.000 Busfahrer fahren heute nicht für Unternehmen wie Dr. Richard, Blaguss und Postbus. Vier Verhandlungsrunden über den Kollektivvertrag sind bisher gescheitert.

»Ich bin hier, um meine Kollegen zu unterstützen«, erzählt ein Fahrer, der anonym bleiben will, der jW vor dem Garagentor. Seit elf Jahren arbeite er im Unternehmen. Demnächst wolle er in Rente gehen. Ihm sei es aber wichtig, für seine Kollegen da zu sein. »Wir wurden vom Unternehmen sehr unter Druck gesetzt«, erzählt er. Wer streike, dem werde gekündigt, hätten die Geschäftsführer gedroht.

Ein Boss steht auf der anderen Straßenseite, nur wenige Meter entfernt von einem Streifenwagen und beobachtet die Kundgebung. Er macht Fotos und Notizen. »Viele haben Angst um ihren Job.« Insbesondere seien die migrantischen Kollegen »eingeschüchtert«, da sie »sich mit dem Arbeitsrecht nicht so gut auskennen«, führt der streikende Busfahrer aus. »Daher bin ich für sie da, ich habe keine Angst.«

Inzwischen ist es fünf Uhr. Ein Bus möchte die Garage verlassen, wird von den rund 50 Menschen daran gehindert, unter ihnen Streikende, Aktivisten, solidarische Kollegen des Arbeiter-Samariter-Bunds, die Aktivistengruppe »Sozial, aber nicht blöd« und die Gewerkschaftsplattform Komintern. Ihre Banner weisen auf den Arbeitskampf hin. Einige Minuten lässt sich der Bus aufhalten. Grüne Leuchtfeuer werden gezündet und Parolen angestimmt. Trotz eisiger Kälte ist die Stimmung kämpferisch.

Nach einer Weile organisiert die Streikleitung der Transportgewerkschaft, Yvonne Rychly, die freie Fahrt des Streikbrechers. Ein Aktivist protestiert: »Warum lassen die einen Bus nach dem anderen durch?« Rychly, Vida-Landesfrauenvorsitzende und SPÖ-Gemeinderätin Wiens, erklärt gegenüber jW: »Das ist heute ein Warnstreik. Wir wollen die Busse nicht am Fahren hindern, sondern die Fahrer auf unsere Anliegen aufmerksam machen.«

Weitere Busse werden vorübergehend gestoppt. Es kommt in ganz Österreich zu Verspätungen und Ausfällen. In der Steiermark seien am Morgen 170 Linien ausgefallen, im Burgenland 60, teilt Vida mit. Der Arbeitskampf richte sich gegen die unterirdischen Arbeitsbedingungen in der Branche, so Rychly. »Die Leute arbeiten teilweise 15 Stunden pro Tag und das drei Tage hintereinander.« Mit der Lohnerhöhungen von 3,5 Prozent, die in den Verhandlungen angeboten wurde, »wären wir zufrieden«, aber »es gibt keine Nacht- und Pausenzulagen«. Außerdem brauche es bei Pausen endlich Zugang zu sanitären Anlagen. Alles andere »ist nicht menschlich.«

Bei den privaten Busunternehmern enden die Stunden, für die es Nachtzulage gibt, früher als bei vergleichbaren öffentlichen Verkehrsbetreibern. Zum Beginn der Morgenschicht würde gestreikt, um zu zeigen, dass selbige als Nachtzulage vergütet werden sollte: »Seit zwei Jahren wird darüber verhandelt, aber es kommen immer nur leere Versprechungen«, betont Rychly.

Zum beteiligten Bündnis »Wir fahren gemeinsam« gehört auch Fridays for Future, die heute mit protestieren. Da »soziale und ökologische Frage nicht gegeneinander ausgespielt werden« dürften, habe die Klimabewegung geholfen, »die Lenker zu organisieren und zu vernetzen«, sagt Pressesprecherin Teresa Tausch der jW. Sie solidarisiere sich mit den Fahrern, weil es »am Ende sie sind, die die Mobilitätswende durchführen«.

Die fünfte Verhandlungsrunde wird am 5. März stattfinden. Viele Anwesende wünschen sich bereits davor einen wirklichen Streik, bei dem die Busse der Streikbrecher nicht nur aufgehalten, sondern gänzlich zum Stehen gebracht werden. Wenn es am 5. März keine Einigung gäbe, werde Vida nicht an einem echten Streik vorbeikommen, kommentiert Rychly. »Schauen wir mal, was dann passiert.«

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