Trump contra Science
Von Wolfgang Pomrehn
Im chinesischen Hangzhou traf sich vergangene Woche der sogenannte Weltklimarat, der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), um den nächsten, den siebenten Sachstandbericht vorzubereiten. Seit dem Ende der 1990er Jahre gewähren diese Berichte alle paar Jahre einen umfangreichen Überblick über den neuesten Stand der internationalen Forschungen rund ums Klima. Dieses Jahr standen wichtige technische Verabredungen auf der Tagesordnung.
Unter anderem geht es darum, sich auf einen Satz unterschiedlicher Szenarien für die künftige Entwicklung und Kriterien für die Berechnung der damit jeweils verbundenen Treibhausgase zu einigen. Einheitliche Fragestellungen sollen die zahllosen Antworten vergleichbar machen, zu denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in aller Welt mit ihren Simulationen kommen. Zudem wählte man das aus Klimaforscherinnen und Klimaforschern bestehende IPCC-Büro. Das wiederum wählt aus Vorschlagslisten der Regierungen und der Beobachterorganisationen einige hundert wissenschaftliche Autorinnen und Autoren aus, die dann die Berichte erstellen.
Das alles klingt unspektakulär – sieht man davon ab, dass in diesem Jahre erstmalig in der 37jährigen Geschichte des Gremiums keine Vertreter der US-Regierung mit am Tisch saßen. Der seit Januar amtierende US-Präsident Donald Trump hatte Vertretern des US-Außenministeriums untersagt, an den Gesprächen teilzunehmen. Ein vermutlich einmaliger Vorgang. Mehr noch: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und des US Global Change Research Program wurden angewiesen, alle Arbeiten einzustellen, die im Zusammenhang mit dem IPCC stehen.
Die Arbeiten des IPCC erfolgen in drei Arbeitsgruppen (AG): Die AG 1 beschäftigt sich mit den physikalischen Grundlagen des globalen Klimawandels, die AG 2 mit seinen Folgen, Gefahren und Anpassung und die AG 3 mit Strategien zu seiner Abschwächung. Zur Zeit ist die Chefwissenschaftlerin der NASA, Kate Calvin, Kovorsitzende der letztgenannten AG, und auch deren sogenannte Technical Support Unit, die für die technische Erstellung des Teilberichts der AG zuständig ist, besteht fast ausschließlich aus US-Wissenschaftlern. Ob der Rückzug der US-Abordnungen von Dauer oder nur temporär sein wird, ist mit Rücksicht auf die Sprunghaftigkeit Donald Trumps offen, erwartbar scheint ein Rückzug vom Rückzug allerdings nicht. Zumindest offiziell wurde der Austritt aus dem IPCC bislang, anders als im Falle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Pariser Klimaschutzvereinbarung, nicht erklärt.
Gleichwohl bedeutet die Abwesenheit der USA in Hangzhou, dass das Land sich nicht an der Diskussion über Struktur und Fragestellung des nächsten Berichts beteiligt, was es rechten Politikern und interessierten Energiekonzernen jenseits des Atlantiks noch einfacher machen wird, sich dem wissenschaftlichen Konsens zu verweigern. Und auch sonst hat unter der neuen Regierung in Washington ein rigoroser Angriff auf die Wissenschaft begonnen. Bei der NOAA, zu der auch der ohnehin schon unterbesetzte US-Wetterdienst gehört, werden oder sind bereits rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, berichtete der Sender CNN. Die meisten der Personen, die weniger als ein Jahr angestellt waren, sollen bereits ihre Entlassung erhalten haben. Beim Wetterdienst könnte das bis zu 375 Personen betreffen.
Laut CNN wurde allen Entlassenen pauschal mitgeteilt, dass »die Behörde der Ansicht (ist), dass sie aufgrund ihrer Möglichkeiten, ihres Wissens und/oder ihrer Fähigkeiten nicht zum gegenwärtigen Bedarf der Agentur passen«. Nur im Bereich der Hurrikan- und Unwettervorhersage soll es einige Ausnahmen gegeben haben. Nach Angaben des Senders ist die Auflösung der NOAA Teil der »Project 2025«, eines rund 1.000 Seiten umfassenden Plans für die Umgestaltung des US-Staatsapparats, den rechte Thinktanks für einen Präsidenten Trump formuliert haben. Der hatte sich zwar halbherzig von der Agenda distanziert, seine aktuelle Administration allerdings mit einigen Architekten des Plans besetzt.
Durch diese und andere Umstände scheint die Arbeit des IPCC einstweilen erschwert, zugleich ändert das nichts daran, dass der Prozess auch ohne Beteiligung der US-Regierung weitergehen kann. Ohnehin sind die USA auf bestem Wege, ihre führende Position in den Naturwissenschaften an China zu verlieren. Davon abgesehen können US-Wissenschaftler auch weiterhin einbezogen bleiben, sofern sie von anderen Regierungen oder Organisationen nominiert werden. Der internationalen Zusammenarbeit aber und dem rationalen, auf Fakten basierenden Dialog wurden durch die Entscheidungen der US-Regierung schwerer Schaden zugefügt. Ein weiteres Beispiel dafür ist der US-Boykott der Verhandlungen über die UN-Konvention zum Schutz der Artenvielfalt vergangene Woche in Rom – ebenfalls ein Novum in der 33jährigen Geschichte der Konvention.
Der IPCC war 1988 aus der Einsicht heraus gegründet worden, dass der sich abzeichnende Klimawandel gefährlich und ein globales Problem ist, das die Menschheit als Ganzes betrifft. Ihm gehören 195 Staaten an, also praktisch alle UN-Mitglieder. Die Organisation sollte die Aufgabe übernehmen, für die seinerzeit aufgenommenen Verhandlungen über Klimaschutz die wissenschaftlichen Grundlagen zu liefern, doch diese stehen, wie der Angriff aus der rechten Ecke zeigt, mehr und mehr den Interessen mächtiger Kapitalgruppen im Wege.
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