Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 07.03.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Zweiter Weltkrieg

»Die Bombardierungen waren ein Kriegsverbrechen«

Der Angriff auf Tokio spielt im Vergleich zu Hiroshima und Nagasaki in der kollektiven Erinnerung kaum eine Rolle. Ein Gespräch mit Kozono Takaaki
Von Igor Kusar
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Die Kata­strophe der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki im Sommer 1945 ist im kollektiven Gedächtnis Japans fest verankert. Zuvor, im März 1945, kamen in Tokio bei einem US-Luftangriff während einiger Stunden rund 100.000 Menschen ums Leben – eine unglaubliche Zahl. Trotzdem ist die Erinnerung daran stark verblasst. Woher kommt das?

Die Atombombe war eine neue Waffe, die in Japan zum ersten und bisher einzigen Mal in einem Krieg eingesetzt wurde. Die Einzelheiten über ihre Wirkung kamen nur langsam ans Licht und wurden mit Interesse verfolgt. Die Überlebenden in Hiroshima und Nagasaki, die sogenannten Hibakusha, waren wegen ihres Kontakts mit Radioaktivität das lebende Beispiel für die desaströse Schlagkraft der Atombombe und siechten langsam vor sich hin. Das sorgte für Medieninteresse. Andererseits wurden während des Kriegs viele japanische Städte bombardiert, Tokio war da keine Ausnahme. Der 10. März hatte nur die katastrophalsten Ausmaße mit den vielen Toten.

Die Hibakusha hatten ein großes Bedürfnis, über ihr Leid zu sprechen. Gab es bei den Überlebenden in Tokio ein ähnliches Bestreben?

Die Hibakusha begannen viel früher, von ihrem Leid zu erzählen. In Tokio dauerte das bis in die 1970er Jahre. Da begann man, die Erfahrungen der Überlebenden in Buchform zu veröffentlichen. Ein Grund dafür war sicherlich der Vietnamkrieg, der in Japan die Friedensbewegung neu aktivierte und ein Interesse an eigenen, japanischen Erfahrungen entfachte. In jüngster Zeit wiederholt sich dieses Phänomen übrigens mit den Kriegen in der Ukraine und in Gaza. Die Überlebenden der Luftangriffe wie auch die Hibakusha sind die letzten, die noch von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs erzählen können. Die Soldaten von damals sind ja praktisch ausgestorben.

2002 wurde dann ein Zentrum zur Erinnerung an die Bombardierung Tokios und die Bombenschäden mitten im einst zerstörten Gebiet erbaut. Wie kam es dazu?

Geplant war von der Stadt Tokio, ein Friedensmuseum zu errichten. Doch konservative und rechte Kreise störten sich am Ausstellungsteil, der Japan als Aggressor beleuchten sollte. Das Projekt wurde eingestellt. Danach taten sich Opfer des 10. März und deren Nachkommen zusammen, um Geld zu sammeln. Damit wurde dann dieses Museum errichtet.

Welche Debatten werden im Zusammenhang mit den Städtebombardierungen in Japan geführt? Werden sie als Kriegsverbrechen angesehen? Gibt es heute Kritik von japanischer Seite an den USA? Denn die behaupten ja stur, solche Bombardierungen seien nötig gewesen, um den japanischen Kampfwillen zu brechen und Japan zur Kapitulation zu zwingen.

Unter japanischen Forschern werden die Bombardierungen als Kriegsverbrechen taxiert. Ihr Hauptziel war die Ermordung von Zivilisten, und dies war selbst nach damaligem internationalem Recht verboten. Doch mit Kritik an den USA halten sich selbst die Überlebenden der Angriffe zurück. Manchmal hören wir von japanischen Besuchern des Museums, Japan sollte von den USA eine Entschuldigung verlangen. Doch die Diskussionen drehen sich mehr darum, wie Krieg im Allgemeinen vermieden werden kann.

Kozono Takaaki ist Historiker, Forscher am Zentrum für Erinnerung der Bombardierung Tokios und der Kriegsschäden und Dozent an verschiedenen japanischen Universitäten.

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