Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 07.03.2025, Seite 16 / Sport
Boxsport

In der Warteschleife

Supermittelgewichtler Simon Zachenhuber will endlich um große Titel boxen. Das Zeug dazu hat er längst
Von Oliver Rast
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Kräftig Dampf dahinter: Linke Schlaghand von Simon Zachenhuber im Ziel (Stuttgart, 22.2.2025)

Es war noch nicht das, was er sich erträumt hat: Der finale Durchbruch auf ganz großer Bühne. »Eine gute Übung war es dennoch«, sagte Simon Zachenhuber im jW-Gespräch. Und eh, im Training sei er immer. Und bereit, in den Wettkampfring zu steigen, zu punkten, zu siegen. Auf Abruf, jederzeit. Da macht dem Musterathleten keiner etwas vor. Deshalb sprang der WBA- und IBF-Europameister im Supermittelgewicht (bis 76,2 Kg) ad hoc auf die Fightcard der »Boxnacht Stuttgart 2« am 22. Februar, am Tag vor der Bundestagswahl. Zu späterer Stunde in der Scharrena im Stadtbezirk Bad Cannstatt, direkt neben dem Neckarstadion. Ein Event veranstaltet von Zachenhubers Teamkollegen und Hauptkämpfer der Fightnight, dem halbschweren Altin Zogaj.

Der virtuose Rechtsausleger Zachenhuber mit seiner makellosen Bilanz (26 Siege, davon 16 Knockouts, weder Niederlagen noch Unentschieden) hatte den arrivierten Robert Talarek (29 Siege, 27 Niederlagen, 3 Unentschieden) aus Polen vor den geballten Fäusten. Kein Hochkaräter, aber einer, der sich mit seinen 41 Jahren in der Vergangenheit – trotz Niederlagen – mehrfach bewährt hat, teils über die Runden gegangen war. Etwa gegen die Engländer John Ryder und Liam Smith in den Anfangsjahren seiner Karriere. Aber richtig, mehr als eine Zwischenetappe war Talarek für den Niederbayern nicht – »sollte es auch nicht sein«, betonte Coach Konrad »Conny« Mittermeier gegenüber jW.

Die Marschroute gegen Talarek: Runde eins abtasten, mit rechter Führhand von der Ringmitte aus dominieren. Vereinzelt ein, zwei Körperhaken setzen. Alles dosiert. Runde zwei verschärftes Tempo mittels klaren linken Händen aus der Halbdistanz. Auf Leber und Solarplexus, dazu Rechts-Links-Schlagkombinationen mit Kopftreffern. Runde drei straighter Vorwärtsgang, Gegner in die Seile drängen, den Knockout suchen. Dazu die Devise aus der Ecke: »Simon, mach’ Schluss«, ruft Mittermeier mit dem Gong zur dritten Runde seinem Schützling zu. Der pariert. Mit Bravour. Ein Niederschlag, wenige Augenblicke ein zweiter, dann der dritte. »Aus, fertig«, resümiert der Übungsleiter zufrieden. Pflichtprogramm absolviert.

Mittermeier ist wichtig: Zachenhubers Siege seien keine Zufallsprodukte. Sie folgen einer Art Dreiklang: Druck machen, Akzente setzen, sicher boxen. Und wenn sich eine Chance biete, »dann nicht weiter zuwarten, sondern das Ende des Kampfes wählen«. Vorzeitig. Kurzum, selbstbewusst, souverän agieren im Seilgeviert. Das kann Zachenhuber. Nicht nur dort.

Denn der 26jährige ist auch einer, der sich außerhalb des Rings aus der Deckung wagt; einer, der um keine Ansage verlegen ist. Erst kürzlich hatte der »Matador« seine Ambitionen bekräftigt. Gegenüber IBF-Titelträger William Scull. »Komm’ schon, William, gib mir eine Chance auf einen WM-Kampf in Deutschland! Jetzt können unsere Promotor Agon Sports und P2M Boxpromotion das tun, wofür sie vor Jahren an den Start gegangen sind: ›Das deutsche Boxen wiederbeleben!‹« Eine Offerte, die ausgeschlagen wurde.

Kein Wunder: Der 32jährige ungeschlagene Kubaner Scull aus dem Agon-Stall von Ingo Volckmann wird am 3. Mai im saudischen Riad auf das Nonplusultra im Supermittelgewicht treffen, auf keinen geringeren als auf Canelo Álvarez. Klar, wer wollte es Scull übelnehmen, einen Undisputed Fight anzunehmen, also ein Gefecht um alle vier bedeutenden WM-Titel der Verbände WBC, WBA, WBO und IBF.

Das versteht auch Zachenhuber, sein sehnlichster Wunsch indes bleibt: »Ich glaube ganz fest an ein großes Comeback des deutschen Boxens.« Dafür wolle er antreten. Beispielsweise für ein Generationenduell mit Felix Sturm oder einen Clinch gegen den frischgebackenen WBO-Europa-Champ Vincenzo Gualtieri. So oder so, wer auch immer aktuell auf welchem Thron sitzt – Zachenhuber: »Es ist Zeit für eine Wachablösung.«

Und dafür ackert er, schuftet er tagein, tagaus, der Athlet mit der »Pferdelunge«, wie er sagt. Übrigens seit gut einem Jahr in einer zum vollausgestatteten Gym umgebauten ehemaligen griechischen Gaststätte. Abgeschieden mitten im Wald im Feuerbacher Tal im Umland Stuttgarts, erzählt Mittermeier. Ein optimales Terrain, ein optimaler Vorbereitungsort für die großen Aufgaben, die da kommen sollen.

Aber: Noch hängt Zachenhuber gewissermaßen in der Warteschleife. Das soll aber nicht mehr lange so bleiben, sagte Christian Morales auf jW-Nachfrage. »Simon rangiert bei drei der großen Weltverbände um die Top 15, bei der IBF sogar unter den zehn Bestplatzierten.« Der sportliche Leiter der P2M-Boxpromotion strebt für sein Zugpferd einen Final-Eliminator etwa bei der IBF an, einen WM-Ausscheidungskampf, um in den Status des Pflichtherausforderers aufzusteigen. »Dazu werden wir in den nächsten Tagen und Wochen Gespräche mit den IBF-Verantwortlichen führen.«

Ein Fight, ganz nach dem Geschmack von Zachenhuber. Reif dafür ist er, auch wenn er weiß, »an Erfahrung und Coolness muss ich im Vergleich zu den Weltklasseboxer noch nachlegen.« Das wird er, fraglos. Er hat das Zeug dazu.

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