Feinde Syriens
Von Wiebke Diehl
Es ist an Zynismus kaum zu überbieten: Während die Kopfabschneiderbanden des vom Westen hofierten IS- und Al-Qaida-Terroristen Abu Mohammed Al-Dscholani Tausende Angehörige der alawitischen Minderheit in den Küstengebieten Syriens jagen, vergewaltigen und massakrieren, erklärt der Europäische Auswärtige Dienst, man verurteile »die jüngsten Angriffe, die (…) von Pro-Assad-Elementen durchgeführt wurden, auf die Streitkräfte der Übergangsregierung (…)«. Dass die »Nacht der langen Messer« mit Ansage kam, ignoriert man geflissentlich. Wer mag schon offen zugeben, dass das eigene »wertebasierte« System eigentlich nur der Umsetzung geopolitischer Interessen dient? Afghanistan lässt grüßen.
Was sich dieser Tage in Syrien abspielt, ist nur die Spitze des Eisbergs. Seit Anfang Dezember werden täglich Menschen auf offener Straße erschossen, junge Frauen entführt, vergewaltigt und getötet sowie ganze Familien massakriert. Warnungen gab es genügend – man wollte sie nur nicht hören. Lauscht man den Schlachtrufen der zu großen Teilen aus dem Ausland importierten Dschihadisten, steht sogar der Vorwurf eines Völkermords an den Alawiten Syriens im Raum. Selbst Kinder werden zu »Assad-Schergen« erklärt, um die wahren Beweggründe der plündernden und mordenden Banden zu verschleiern: In deren menschenverachtender Ideologie gelten alle, die ihre radikalen Ansichten nicht teilen, als »Ungläubige« und somit als vogelfrei. Auch unzählige Sunniten, die am Vielvölkerstaat Syrien und dem friedlichen Zusammenleben seiner Konfessionen und Ethnien festhalten, sind der Al-Qaida und dem IS zum Opfer gefallen.
Die Verantwortung für die Massaker und die völlig ungewisse Zukunft Syriens tragen die Hintermänner der Haiat Tahrir Al-Scham und anderer dschihadistischer Gruppen. Obwohl auf der Hand liegt, dass ein Terrorist nicht zum Freiheitskämpfer wird, nur weil er seine Kampfkleidung gegen einen Anzug tauscht, hat der Westen die demokratisch nicht legitimierte syrische »Übergangsregierung« nicht nur hofiert und zur »moderaten« Alternative erklärt – denn sie versprach, weder westlichen Interessen noch der israelischen Besetzung Syriens in die Quere zu kommen. Man hat die dschihadistischen Mörderbanden auch erschaffen. Während die CIA sie in Kooperation mit den Golfstaaten, der Türkei und Israel bewaffnete und ausbildete, flankierten die EU-Staaten das imperialistische Regime-Change-Projekt politisch und mittels brutalster Sanktionen. Die hungernde und strangulierte Bevölkerung war am Ende nicht mehr in der Lage, Widerstand zu leisten.
Von außen können die Syrerinnen und Syrer keine Hilfe erwarten. Retten können sie ihr Land und sich selbst nur, wenn sie den zerstörerischen Kräften ihre seit Jahrzehnten gelebte Vision friedlicher Koexistenz entgegenstellen. Denn die fürchten die Feinde Syriens wie der Teufel das Weihwasser.
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