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Aus: Ausgabe vom 10.03.2025, Seite 16 / Sport
Schach

Märchenhaft schön

Schachfestival Prag: Der bislang wenig bekannte Aravindh Chithambaram bleibt unbesiegt und gewinnt das Masters
Von Sören Bär
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Der Kulminationspunkt: Aravindh Chithambaram macht mit dem Scheinopfer 29…Te5! dem c-Bauern den Weg frei

Das Schachfestival in der goldenen Stadt Prag ist mit seiner mittlerweile siebenten Austragung zu einer schönen Tradition geworden und zieht mit einer Vielzahl von Turnieren die Schachfans aus aller Welt wie ein Magnet an. Neben dem mit Weltklasseakteuren besetzten Masters als Flaggschiff boten vom 26. Februar bis zum 7. März auch das Challengers, das Futures, das Open und zahlreiche Side Events mannigfaltig Gelegenheit, dem königlichen Spiel zu frönen.

Im Masters war neben dem 19jährigen Rameshbabu Praggnanandhaa, der im Januar in Wijk aan Zee triumphiert hatte, mit Aravindh Chitha­mbaram (25) ein zweiter Inder dabei, dessen Namen außerhalb seines Heimatlandes bisher nur Insider kannten, obwohl er auf Platz 25 der Weltrangliste steht. Zum Favoritenkreis zählten weiterhin der Chinese Wei Yi, Anish Giri (Niederlande), die deutsche Nummer eins Vincent Keymer und Lê Quang Liêm (Vietnam). Vor dem neunten und letzten Durchgang war klar, dass der Turniersieg wie so oft nur über die beiden Inder gehen würde. Aravindh führte mit 5,5 Punkten, nur einen halben Zähler dahinter folgte Praggnanandhaa. Das Zünglein an der Waage spielte Giri. In der siebenten Runde noch in einer märchenhaft schönen Partie Aravindh unterlegen, gelang dem Niederländer in der Schlussrunde ein attraktiver Sieg mit den weißen Steinen gegen Praggnanandhaa. Damit machte er dessen Chancen zunichte und katapultierte sich mit fünf Punkten nach Wertung auf den zweiten Rang. Spitzenreiter Aravindh genügte hingegen ein Schwarzremis gegen den 16jährigen Ediz Gürel (Türkei), um mit sechs Punkten den Spitzenplatz zu behaupten und den Siegerpokal in die Höhe zu stemmen.

Absolut verdient, denn bei drei Gewinnpartien und sechs Remisen blieb er als einziger Spieler unbesiegt. Hinter Giri liefen die ebenfalls über fünf Punkte aus neun Partien verfügenden Wei Yi und Praggnanandhaa auf den Plätzen drei und vier ein. Der topgesetzte Wei Yi verlor in den ersten drei Runden zweimal, bestach allerdings mit einem starken Finish. Für Vincent Keymer hielt das Turnier eine weitere Topsy-turvy-Erfahrung bereit: Einem starken Auftaktsieg gegen Wei Yi folgte eine Weißniederlage gegen Aravindh, worauf er gleich einen Schwarzsieg gegen den US-Amerikaner Sam Shankland folgen ließ. Doch eine weitere Null als Anziehender gegen Praggnanandhaa versetzte seinen Ambitionen einen empfindlichen Dämpfer. Dennoch stabilisierte sich der 19jährige Deutsche und beendete das Turnier mit fünf ausgekämpften Unentschieden, was ihm mit 4,5 Zählern immerhin Platz fünf vor dem punktgleichen Türken Gurel bescherte.

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Ohne Niederlage: Aravindh Chithambaram behauptete in Prag mit sechs Punkten den Spitzenplatz

Für den Einzug in die absolute Weltspitze muss Keymer ein weiterer Leistungssprung gelingen. Dass man ihm diese Steigerung zutrauen darf, bewies er kürzlich mit seinem Sieg beim Freestyle-Turnier in Weissenhaus, als er Magnus Carlsen, Hikaru Nakamura und Fabiano Caruana das Nachsehen gab. Beim Freestyle-Schach, auch als Fischer-Schach bezeichnet, wird die Stellung der Figuren auf der Grundreihe ausgelost. Shankland, David Navara (Tschechische Republik) und Lê Quang Liêm belegten mit jeweils vier Zählern die Plätze sieben bis neun, während Thai Dai Van Nguyen (Tschechische Republik) mit drei Punkten am Tabellenende stand.

Im Challengers musste ein Tiebreak die Entscheidung zwischen Nodirbek Jakubojew (Usbekistan) und Jonas Buhl Bjerre (Dänemark) herbeiführen, weil beide mit sieben aus neun Runden den Spitzenplatz teilten. Jakubojew war mit 1,5:0,5 siegreich und löste damit auch die Eintrittskarte zum Masters im kommenden Jahr. Das Futures-Turnier des weiblichen Schachnachwuchses gewann mit sieben Punkten Sara Maria Sunea (Rumänien).

Dem erst 13jährigen FM Christian Glöckler (BRD), der von GM Thomas Pähtz trainiert wird, gelang im Open mit sieben aus neun und dem geteilten dritten Rang seine dritte und letzte IM-Norm und auch der Sprung über die für die Titelverleihung erforderliche Ratingzahl von 2.400. Er wandelt damit auf den Spuren von Vincent Keymer.

Vincent Keymer – Aravindh Chithambaram, Schachfestival Prag, Masters, Runde 2, 27. Februar 2025 – Angenommenes Damengambit

1.d4 d5 2.c4 dxc4 3.Sf3 a6 4.e3 b5 5.a4 Lb7 6.b3 (Weniger riskant ist 6.axb5 axb5 7.Txa8 Lxa8 8.b3 e6 9.bxc4 bxc4 10.Lxc4 +/= mit einem leichten strukturellen Vorteil für Weiß, denn 9…b4? funktioniert nicht wegen 10.c5! Sf6 11.Se5 Sbd7 12.Da4 +/-, und Weiß holt b4 ab.) 6…Sf6 7.bxc4 b4!? 8.c5 Sc6 9.Db3 e5!? N (Eine überraschende Neuerung, die von der Engine empfohlen wurde. Die solide Fortsetzung ist 9…e6.) 10.Lc4! Dd7 11.Lb2?! (Auf das prinzipielle 11.Sg5! Dg4 12.Lxf7+ Kd8 13.Se6+ Kc8 14.Sf4! Kb8 [14…exf4?? 15.Le6+ +-] 15.Le6 Dh4! 16.d5! ∞ wollte sich Keymer unvorbereitet offenbar nicht einlassen.) 11…exd4 12.Lxd4?! (12.exd4) 12…Se4! =/+ (Nun fällt der vorgepreschte c5.) 13.Dc2? (Diese Ungenauigkeit kann sich Weiß nicht leisten. Doch auch 13.0-0 Sxc5 14.Db2 Se6 15.Sbd2 0-0-0 -/+ sähe Schwarz am Drücker.) 13…Dg4! (Schwarz steht schon deutlich besser.) 14.Le2 Sxd4 15.Sxd4 Dxg2 16.Lf3 b3! (Dieser starke Zwischenzug forciert den Damentausch.) 17.Lxg2 (17.Dxb3?? Dxf2+ -+ bzw. 17.Sxb3?? Dxf3 -+ verlören sofort.) 17…bxc2 18.Sd2 Sxc5 19.Lxb7 Sxb7 -/+ 20.Ke2 Lb4 21.Thc1 Lxd2?! (Stärker war das Schlagen des anderen Springers: 21…Lc3 22.Ta2 Lxd4 23.exd4 Sd8 24.Taxc2 Se6 -/+.) 22.Kxd2 0-0-0 23.Txc2 The8 24.Tg1 g6 25.Tc6 Td6 26.Tgc1 Txc6 27.Txc6 Sd6! 28.f3 (Nach 28.Txa6? Kb7 29.Ta5?? gabelt 29…Sc4+ den Turm auf, während Schwarz nach 29.Tc6 Ta8 30.f3 Txa4 -/+ neben dem Plusbauern auch die aktiveren Figuren hat.) 28…Kb7 29.Tc5? (29.Tc2) 29…Te5! (Mit diesem Scheinopfer ebnet Aravindh seinem c-Bauern den Weg.) 30.Tc2 (Nach 30.Txe5 würde die Springergabel 30…Sc4+ den Turm zurückgewinnen und in ein gewonnenes Springerendspiel einlenken: 31.Kd3 Sxe5+ 32.Ke4 Sc4 -+) 30…c5! 31.Se2 Th5 32.Ke1 Kb6 33.Sf4 Te5?! (Genauer war 33…Tf5 -+.) 34.e4 c4 35.Kd2 f5 36.Ke3 fxe4 37.Kd4 Te8 38.Kd5 Sf5 39.Tb2+ Ka5! 40.fxe4 c3 -+ 41.Tb1 (Nach 41.Tc2?? Se3+ wäre der Tc2 perdu.) 41…Td8+ 42.Ke5 Se3 43.Sd5 Sxd5 44.exd5 Kxa4 45.Ta1+ Kb3 (Keymer sah nun die unvermeidliche Folge 46.Tb1+ Ka2 47.Tb6 c2 48.Tc6 Kb2 49.Tb6+ Kc3 50.Tc6+ Kd2 -+ und resignierte.) 0:1.

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